Querfront im Steuerrecht?

Die Vermögenssteuer wurde bisher nur als Ergänzung „on top“ zur derzeitigen Einkommenssteuer diskutiert. Sie bedient in dieser Form lediglich den Neidreflex, die Reichen etwas ärmer zu machen. Kein Armer würde aber durch eine solche „Reichensteuer“ reicher. Lediglich der gierige Staat hätte eine zusätzliche Einnahmequelle. Dabei liegt der sinnvolle Kompromiss auf der Hand: die vermögensorientierte Einkommenssteuer.

Nie mehr arm trotz Arbeit. / Lizenz: pixabay-Lizenz

Die Frage, wie sich der Staat finanziert, ist sehr grundlegend für jedes staatlich organisierte Gemeinwesen. Das Gefühl der allgemein schwindenden ökonomischen Gerechtigkeit ist für unsere Gesellschaft nicht weniger gefährlich als das rapide schwindende Vertrauen in staatliche Instanzen.

Der Sozialstaatsgedanke hat trotz mancher Pervertierungen und Auswüchse nach wie vor viele Anhänger in Deutschland. So besteht im Grunde weiterhin auch gesellschaftlicher Konsens, dass auch bei der Steuerlast die „starken Schultern“ mehr tragen müssen als die schwachen. Doch werden diese „starken Schultern“ wirklich durch das derzeit bestehende Steuerrecht adressiert?

Die Forderungen linker Parteien nach einer „Vermögenssteuer“, als sogenannter „Reichensteuer“, wurde vom nicht linksextremen Teil der etablierten Parteien stets mit dem Hinweis abgewehrt, die Besteuerung des bereits versteuerten Vermögens sei verfassungsrechtlich nicht möglich. Das Verfassungsgericht hat diese Auffassung auch bereits amtlich bestätigt. Allerdings ist bei wechselnder Zusammensetzung der Verfassungsrichter ja heutzutage nicht mehr gewährleistet, dass zukünftig unser Grundgesetz für politische Entscheidungen noch eine bindende Wirkung haben wird. Spätestens seit Merkel, die „aus Illegalität Legalität“ machen wollte, gibt es Rechtssicherheit in Deutschland in so ziemlich keiner Frage mehr. Das gesamte Grundgesetz steht heute de facto unter Klima- und Pandemievorbehalt – nichts ist mehr unmöglich in Deutschland. Daher wäre ein tragfähiger gesellschaftlicher und politischer Konsens in der Frage einer gerechten Besteuerung umso wichtiger.

Der „Bestandsschutz“ für bereits erarbeitetes Vermögen ist tatsächliche keine Petitesse. Er ist vielmehr grundlegend für das Vertrauen der Bürger in den Staat und ihre Motivation, sich wirtschaftlich über das notwendige Minimum hinaus zu betätigen. Denn wofür sollte man sich überhaupt irgendwelche Vermögenswerte auf die hohe Kante legen, wenn der gierige Staat jederzeit darauf zugreifen kann?

Mit der aktuellen Nichtlösung der Gerechtigkeitsfrage im Steuerrecht konnten alle etablierten Parteien bis dato gut leben: Die ganz linken Parteien fordern in Robin-Hood-Manier den Reichen einen Teil ihrer „obszönen Vermögen“ abzunehmen. Wer als Bürger selbst nicht weiß, wie er mit seiner Knete über den Monat kommen soll, wird schnell Sympathien für derart übergriffige Ideen entwickeln können. Die übrigen etablierten Parteien können sich dagegen als Verteidiger von Recht und Gesetz inszenieren. Damit können sie auch bei jenem gerechtigkeitsempfindsamen Teil der Wähler punkten, der selbst keine oder nur geringe finanzielle Rücklagen hat. Man sieht, mit den ideologischen Positionen korrespondieren immer Wählergruppen. So kommt es gewissermaßen zu „ideologischen Besitzständen“ der Parteien, die so leicht nicht freiwillig aufgegeben werden. Politische Konflikte werden heute deshalb oftmals nicht gelöst, weil keine der Parteien ihr damit verbundenes Mobilisierungspotential aufgeben will.

So wird die Frage nach einer Vermögenssteuer bald seit über 30 Jahren in Deutschland diskutiert. Doch den naheliegenden Kompromiss bei diesem Thema konnte man noch in keiner einzigen Zeitung lesen: Niemand schlug jemals vor, die Höhe der Einkommenssteuer am bereits vorhandenen Vermögen, statt am aktuellen Einkommen, zu orientieren. Eine solche vermögensorientierte Einkommenssteuer wäre dabei alles andere als ein fauler Kompromiss. Im Gegenteil würde diese goldene Brücke zwischen den verfeindeten Positionen gerade den ärmeren arbeitswilligen Mitbürgern die echte Möglichkeit bieten, eigene Rücklagen zu bilden.

Würde sich bei der Einkommenssteuererklärung der Steuersatz – ähnlich wie bei den derzeitigen Steuerklassen – grob am bereits vorhandenen Vermögen orientieren (z. B. unter 50.000 / über 50.000 / über 1 Mio. usw.), so hätte dies extrem positive Auswirkungen auf den Vermögensaufbau in den Privathaushalten. Zumal dann, wenn man die unterste dieser Steuerklassen komplett von jeglicher Einkommenssteuer freistellen würde. Denn dann wäre es wirklich so, dass die starken Schultern stärker belastet werden und nicht etwa diejenigen, die zum ersten Mal im Leben ein anständiges Gehalt bekommen, und die damit sofort „Spitzenverdiener“ (mit leerem Konto) wären. Statt „Geringverdiener zu entlasten“, wie es in der Politik heute allenthalben gefordert wird, würden mit einem solchen Steuerrecht endlich die arbeitenden „Geringbesitzenden“ entlastet, also die wirklich schwachen Schultern! Und so könnten gerade diese Geringbesitzenden viel schneller selbst zu „Mehrbesitzenden“ werden. Als Mehrbesitzende wären sie auch während sporadisch auftretender Krisen nicht umgehend auf staatliche Hilfen angewiesen. Ein freieres und selbstbestimmteres Leben wäre möglich. Das Phänomen „Arm trotz Arbeit“ würde sehr bald der Vergangenheit angehören.

Zudem hätte ein solches Steuergesetz die positive Nebenwirkung, dass der wirtschaftlich denkende „Reiche“ versuchen wird, vorhandenes Vermögen noch während seiner produktiven Lebensphase auf Familie, Verwandte etc. zu verteilen. Am Durchschnittsvermögen der Deutschen würde dies natürlich überhaupt nichts ändern. Das Median-Vermögen dagegen, in welchem sich die Ungleichheit und der echte Reichtum einer Gesellschaft sehr viel genauer ausdrückt, würde dagegen spürbar anziehen.

Durch eigenes Vermögen wären so auch sehr viel mehr Menschen vor sozialem Abstieg und staatlicher Hilfsbedürftigkeit abgesichert. Aber vielleicht will man auch genau dies nicht und ist ganz zufrieden, dass rund zwei Drittel […] netto kein oder nur ein geringes Geld- oder Sachvermögen besitzen. Diese Bürger sollen ihre bangen Blicke weiterhin zur „wohltätigen“ Regierung richten und am Schnapp-die-Wurst-Spiel mit „Krisenhilfen“ und „Sozialleistungen“ teilnehmen, statt ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen. Nichts ist Regierenden lieber als ein Volk, das dauerhaft von ihren steuerfinanzierten „Wohltaten“ abhängig bleibt.

Wer es also gut meint mit unserem Land und Volk, der muss auch bei der sozial brenzligen Frage der Finanzierung des Staates Antworten geben, die das Lagerdenken und die ideelle Besitzstandswahrung der Parteien überwinden. Das bei der jungen Generation verbreitete Gefühl, dass man es durch ehrliche Arbeit in diesem Land zu nichts mehr bringen kann, ist jedenfalls verheerend. Wir brauchen daher dringend Antworten auf die sozialen Fragen jenseits von linken Neiddebatten und Umverteilungsträumen. Im Steuerrecht gibt es hierzu die Möglichkeit der „goldenen Brücke“ zwischen den herrschenden ideologischen Extrempositionen: Eine am Vermögen, statt am Einkommen, orientierte Einkommenssteuer. Vielleicht wird in Zukunft auch in dieser Frage eine Querfront zum Wohle unseres Volkes möglich, wie sie sich in der Frage der Friedenspolitik zunehmend abzeichnet.

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