Fall Krah: Die Basis muss es richten

Wenn Krah mit seinen Äußerungen einen taktischen Fehler gemacht haben sollte – was man durchaus so sehen kann – dann hat die Reaktion des Bundesvorstands diesen Fehler verschlimmert, anstatt ihn zu heilen. Die Parteibasis muss sich jetzt zu Wort melden und die AfD wieder auf Kurs bringen, wie sie es schon so oft getan hat.

Es wird wieder ernst: Quo vadis, AfD? / Bearbeitetes Bildmaterial von Wikimedia Commons. Fotografen: Marcus Popillius (Krah), Sandro Halank (Weidel und Höcke). Lizenz jeweils: CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)

„Mut zur Wahrheit“, so lautete der Wahlspruch der AfD in ihrem ersten Bundestagswahlkampf. Und tatsächlich hat die AfD in ihrer kurzen Geschichte viele heiße Eisen angepackt: 2015, auf dem Höhepunkt der „Willkommenseuphorie“, prangerte sie den Missbrauch des Asylgesetzes an und machte sich für Grenzschutz stark. Das brachte ihr den absurden Vorwurf ein, sie fordere den „Schießbefehl“. Bereits im Grundsatzprogramm 2016 setzte die AfD sich für den Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke ein. Das war im „von der Energiewende begeisterten Deutschland“ von damals eine ebenfalls absolut unpopuläre Forderung. Im gleichen Programm formulierte die AfD damals, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, was ebenfalls einen massiven medialen Aufschrei verursachte. Der Nachsatz, dass integrierte Muslime sehr wohl zu Deutschland gehören können, wurde natürlich bei der Skandalisierung unterschlagen. Die AfD hat für diese und andere Positionen offensiv geworben, statt vermeintlichen Mehrheitsmeinungen hinterherzulaufen. Die Zeit hat ihr recht gegeben. AfD-Positionen, die ehemals als absolut randständig galten, sind in der deutschen Bevölkerung heute mehrheitsfähig. Scheinoppositionelle Parteien wie CDU/CSU und Freie Wähler kopieren mittlerweile diese AfD-Inhalte eins zu eins in ihre Wahlprogramme. So wollen Altparteien der AfD vor Wahlen das Wasser abgraben, um sich dann nach der Wahl mit links-grünen „Projekten“ zu überbieten.

Durch ein paar sinnentstellend zitierte Passagen des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wurde jetzt kurzzeitig die deutsche NS-Vergangenheit ins Zentrum der Debatte gerückt. Wer sich Krahs Sätze im Zusammenhang anschaut, wird nichts Verwerfliches daran finden können. Doch reflexhaft wird dieses Thema auch aus der AfD als „unwichtig“ und „Ablenkung von wichtigeren Themen“ gebrandmarkt. Der Bundesvorstand der AfD hat sich eilfertig distanziert und Krah ein „Auftrittsverbot“ erteilt. Vom „Mut zur Wahrheit“ ist da nichts mehr zu spüren. Offensiv verteidigt werden Krahs sachlich richtigen Äußerungen schon gar nicht. Schlimmer kann man einem Spitzenkandidaten nicht in den Rücken fallen. Der Schaden für die Partei ist immens.

Wenn Krah im Wahlkampf auf die deutsche NS-Vergangenheit zu sprechen kommt, dann ist das absolut KEIN Nebenthema. Es ist das zentrale Thema, mit dem die AfD immer wieder in die „braune“ Ecke gestellt wird. Die Deutungshoheit über diesen Themenbereich kann die AfD aber nicht gewinnen, indem sie kuscht. Beim Wähler kommen durch solches Zurückweichen zwei unterschwellige Botschaften an: Zum einen wird es als implizites Schuldeingeständnis aufgefasst, zum anderen entsteht der Eindruck, die AfD traue es ihren potenziellen Wählern nicht zu, sich im Zuge einer differenzierten Debatte ein qualifiziertes Urteil zu bilden.

Wenn der AfD-Vorstand in dieser Art kuscht und sich schamlos der „Cancel Culture“ bedient, sobald ihm dies machtpolitisch irgendwie vorteilhaft erscheint, dann wird er selbst Teil des deutschen Problems. Denn die politisch-korrekte Tabuisierung inhaltlich richtiger Postionen zugunsten politischer Tagesgewinne hat unser Land an den Abgrund gebracht, an dem es heute steht.

In Ostdeutschland haben einige führende AfD-Politiker die fatale Wirkung solcher Anbiederungsversuche an den Mainstream bereits tiefer verinnerlicht. Besonders standfest in dieser Frage ist wohl fraglos Björn Höcke. Er erklärte bereits sehr früh in mehreren Reden, dass die Wiederherstellung der Meinungsfreiheit für ihn nicht ein Thema unter vielen ist, sondern DAS Thema, an dem sich das Schicksal unseres Landes entscheiden wird. Die politische Korrektheit ist das letzte verbliebene Machtinstrument der Altparteien im Diskurs. Wer dieser falschen Korrektheit seinen Kotau macht, der behindert aktiv positive Veränderungen in unserem Land.

Wenn Krah mit seinen Äußerungen einen taktischen Fehler gemacht haben sollte – was man durchaus so sehen kann – dann hat die Reaktion des Bundesvorstands diesen Fehler verschlimmert, anstatt ihn zu heilen.

Nach der Europawahl, auf dem Bundesparteitag in Essen, ist der richtige Zeitpunkt, um die Fehler, die in diesem Wahlkampf vom Bundesvorstand gemacht wurden, aufzuarbeiten und Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Parteibasis muss sich jetzt zu Wort melden und die AfD wieder auf Kurs bringen, wie sie es schon so oft getan hat (siehe Lucke, Petry, Meuthen). Nach einer kurzen Delle in der Zustimmung ging es nach der Befreiung von politisch-korrekter Selbstfesselung immer wieder bergauf. Umgekehrt wird ein fortgesetzter Angstkurs aber niemals zum Erfolg führen. Denn der Bürger will eine Partei, die selbst Mut hat und damit den Menschen im Lande Mut macht. Und der Bürger will auf gar keinen Fall eine Partei, die das Spiel des Establishments mitspielt und „Cancel Culture“ durch eigene Nutzung legitimiert.

Die Mitglieder der AfD sollten sich aber durch die jetzigen Vorkommnisse nicht wieder in Lager aufspalten lassen. Auch für den Bundesvorstand kann es keine Kollektivschuld geben. Man muss sich ruhig aussprechen und sachlich schauen, wer welchen Einfluss auf diese Fehlentscheidung genommen hat (Wo war Brandner? Wo Gauland? Wo Chrupalla?). Notfalls müssen wieder „Köpfe rollen“ – auch ganz an der Spitze. Für die wichtigen Wahlen im Osten muss jedenfalls sichergestellt werden, dass sich ein solcher Dolchstoß, wie gegen Krah, nicht wiederholen kann.

Die Wähler und Wahlkämpfer der AfD werden bei dieser EU-Wahl jedenfalls auf eine harte Probe gestellt. Glücklicherweise hat sich schon ein hartgesottener Kern von Stammwählern herausgebildet, den auch solche Stromschnellen nicht mehr schrecken. Mit elf Jahren ist die AfD historisch betrachtet immer noch eine sehr junge Partei. Was hier im Fall Krah passiert ist, gehört sicher immer noch zu den Geburtswehen einer Partei, die ihren eigenen Weg noch finden muss. Eine „Professionalisierung“, im Sinne einer Nachahmung anderer Berufspolitikervereinigungen, wäre jedenfalls ein tödlicher Irrweg.

Dass alle Fehler der AfD heute besonders schmerzlich sind, liegt sicher daran, dass unsere Nation derzeit fast schon auf dem Sterbebett liegt; da spürt man jeden Behandlungsfehler doppelt. Und es bleibt der AfD auch nicht mehr viel Zeit, das Schlimmste für unser Volk und Land abzuwehren. Dass die AfD die Kraft hätte, doch noch etwas für Deutschland zu retten, erkennt man an dem Furor, mit dem sie von den Etablierten bekämpft wird. Würde die Wahl der AfD tatsächlich nichts ändern, hätte man nicht solche Angst vor ihr. Es besteht also immer noch Grund zur Hoffnung. Das von Merkel geschaffene Altparteienkartell spielt allerdings auf Zeit. Diese Zeit darf der Wähler diesem Kartell nicht gewähren. Der Druck aufs politische Establishment muss stetig erhöht werden. Die AfD muss ihre Wähler jetzt um Nachsicht und Vertrauen bitten – trotz allem, was passiert ist, und auch trotz allem, was notwendigerweise noch passieren muss.



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