Merz zwischen allen Stühlen

Das Originellste an der „Agenda für Deutschland“ dürfte der Name sein. Wie ein Wasserzeichen ist im Titel als Abkürzung die AfD eingewebt. Das Kürzel verweist sogleich auf das Original. Merz nähert sich rhetorisch der AfD an, von der er sich doch so unbedingt distanzieren will. Der Kurs der Union wird immer unklarer.

Mit Merz gehts in alle Richtungen gleichzeitig. (Bildausschnitt einmal gespiegelt von European People’s Party, European People’s Party auf wikimedia, Lizenz: Creative Commons 2.0)

Man wusste schon bisher nicht so recht, wofür die Union unter dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz eigentlich noch steht. Seitdem Söder und Merz gemeinsam die „Agenda für Deutschland“ proklamiert haben, weiß man es noch weniger. Tage zuvor hatte Merz einige Verwirrung gestiftet, indem er die Grünen zum „Hauptgegner in der Regierungskoalition“ erklärte. Um der Inquisition der Staatsmedien zu entkommen, musste Merz sogleich die AfD vom „Hauptgegner“ zum „Feind der Demokratie“ hochjazzen.

Sein vermeintlicher neuer „Hauptgegner“, also die Grünen, waren bis vor wenigen Tagen noch sein erklärter Koalitionspartner. Sie sind es übrigens immer noch, allerdings soll gerade diese Tatsache offenbar durch den aktuellen Theaterdonner im Bewusstsein der Wähler überdröhnt werden. Was blieb, war der Eindruck, dass der CDU-Parteivorsitzende sich in einen Mehrfrontenkrieg verzettelt hat und Schwierigkeiten hat, zwischen lauter Gegnern, Feinden und potenziellen Koalitionspartnern zu unterscheiden. Merz hat sich zwischen alle politischen Stühle gesetzt.

Vermutlich haben die rasant ansteigenden AfD-Umfragewerte im Konrad-Adenauer-Haus einige Panikattacken ausgelöst. Doch es gibt für die Union noch eine weitere bedrohliche Entwicklung, der sie entgegensteuern muss: Die vor Wochen veröffentlichte brillante Recherchearbeit von Beatrix von Storch hat detailliert die Verbindungen von BlackRock zum Umfeld der Grünen aufgezeigt. Auch recherchierte sie das gigantische Investitionsvolumen, das BlackRock in Erwartung einer „grünen Transformation der Gesellschaft“ bereits getätigt hat. Ohne als „Verschwörungstheoretiker“ gelten zu müssen, darf man getrost annehmen, dass Merz als ehemaliger leitender Angestellter von BlackRock selbst noch stark mit diesem finanziellen Weltimperium vernetzt ist. Alles andere wäre naiv.

Dass Merz nun aber seit langer Zeit schon mit den Grünen koalieren wollte, erscheint vor dem Hintergrund dieser neuen Informationen über das grüne NGO-Umfeld in einem völlig anderen Licht. Nicht politische Gemeinsamkeiten, sondern gemeinsame Profitinteressen sind offenbar das Erz, aus dem in der Bundesrepublik Koalitionen über politische Lagergrenzen hinweg geschmiedet werden. Frau von Storch brachte es auf die knackige Formel, dass eine Koalition von Merz mit den Grünen, eine „Koalition von BlackRock mit BlackRock“ wäre.

Merz und seine Gefolgsleute würden die Offenlegung dieser Zusammenhänge sicher gerne vergessen machen. Was könnte da mehr helfen, als mit rhetorischen Platzpatronen die Grünen aufs Korn zu nehmen? Der Pulverdampf jedenfalls vernebelt die belastenden Zusammenhänge beim politischen Publikum. Eben noch Koalitionspartner der Herzen werden die Grünen jetzt von heut auf morgen zum „Hauptgegner“ des chronischen Oppositionsverweigerers erklärt. Das tut den Grünen nicht wirklich weh – im Gegenteil, das schärft auch ihr politisches Profil. Gerne spielen sie also das Spiel mit und heulen empört auf.

Zum inszenierten Parteienstreit zwischen Union und Grünen gehört auch die schon eingangs erwähnte „Agenda für Deutschland“ von CDU und CSU. Unter diesem Titel findet sich ein Sammelsurium politischer Allgemeinplätze, Worthülsen und wohlfeiler Forderungen („gute Wirtschaftspolitik“, „Hightech Agenda“, „Steuerentlastungen“ usw. usw.). Auch erkennbar undurchdachte und auf Effekt getrimmte Detailvorschläge, wie „Steuerfreiheit für Überstunden“, sollen darin zu finden sein. Solche Peinlichkeiten zeigen, dass diese „Agenda“ mit heißer Nadel gestrickt ist. Sie ist auf mediale Wirkung angelegt, um dem Aufstieg der AfD wenigstens rhetorisch schnell etwas entgegenzusetzen. Sie ist alles andere als die grundsätzliche politische Neupositionierung der Union, die so dringend notwendig wäre.

So erinnert beispielsweise die Forderung nach der „Unterscheidung von illegaler und legaler Migration“ lediglich daran, was CDU und CSU seit 2015 versäumt haben. Bis heute fehlt in der Union auch eine klare Verurteilung des von Merkel begangenen Unrechts in 2015. Der 11-Minuten-Applaus auf dem CDU-Parteitag in 2016 für diese Kanzlerin und ihre Unrechtspolitik ist immer noch im Gedächtnis der Bürger abrufbar. Und bis heute fehlt in CDU und CSU weiterhin jede Einsicht, dass die angestrebte Umformung Deutschlands in ein multikulturelles Einwanderungsland mit der unumkehrbaren Zerstörung unserer Kultur und unserer Traditionen einhergeht. Bis heute haben sich die „Schwesterparteien“ nicht zu der Klarheit durchringen können, mit der Alexander Gauland als Parteivorsitzender der AfD bereits 2015 formulierte: Die Aufnahme von jährlich hunderttausenden Migranten „können und WOLLEN wir gar nicht schaffen“.

Das Originellste an der „Agenda für Deutschland“ – und für die Union zugleich das Schädlichste – dürfte allerdings der Name dieses Papiers sein. Wie ein Wasserzeichen ist im Titel als Abkürzung die AfD, die Alternative für Deutschland, eingewebt. Das Kürzel verweist sogleich auf das Original. Wie mit einem dicken Pfeil zeigt die Überschrift des Pamphlets so auf eben jene Partei, von der man sich doch bei CDU und CSU so dringend abgrenzen möchte. Die Frage, warum man dann aber derart plump versucht, die AfD inhaltlich zu kopieren, werden Merz und Söder niemals plausibel beantworten können.

Die Linken und Grünen werden diese „Agenda“ fortan als Beleg für die Annäherung der Union an die AfD anführen können. Man wird diese „AfD Agenda“ der Union von linker Seite sogar mit einiger Berechtigung als verdecktes Signal der Koalitionsbereitschaft mit der AfD interpretieren können. Der konservative Wähler wird daher noch weniger wissen, wofür CDU und CSU heute eigentlich stehen. Politischer Eiertanz kam bei konservativen Bürgern aber noch niemals gut an. Diese Wähler werden sich früher oder später entweder für das grüne oder eben das blaue Original entscheiden, damit sie wissen, woran sie sind.

Bei denjenigen Bürgern, der derzeit ohnehin mit der Wahl der AfD liebäugeln, wird dieser schlechte Kopierversuch auch lediglich die Sehnsucht nach dem Original weiter verstärken. Denn es wird bei CDU/CSU weiterhin lediglich bei der Symptombehandlung bleiben: „Bekämpfung der Clan-Kriminalität“ statt Remigration. Wohlfeile Kritik an Habecks bereits gescheitertem Heizungsgesetz statt der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Habeck-Graichen-Clan. Weitere Entlastungskosmetik statt Beendigung der EU-Schuldenpolitik und statt Beendigung der suizidalen Russland-Sanktionen.

Das obligatorische Bekenntnis der Parteispitzen von CDU und CSU zum „Klimaschutz“ zeigt zudem, dass die Union die grüne Meinungshegemonie nicht ernsthaft infrage stellen möchte – das wär allerdings dringend nötig. Und auch keine der jetzt getätigten Ankündigungen würde einer zukünftigen Regierungsbildung mit den Grünen wirklich im Wege stehen. Eine Stimme für CDU oder CSU bleibt daher weiterhin eine Stimme für die Grünen. Es geht der Union jetzt lediglich darum, den Wählern mit der „Agenda“ in dieser Frage etwas Sand in die Augen zu streuen.

Also nein, von der Union sind keine grundlegenden Kursänderungen mehr zu erwarten, egal wie viele „Papiere“ sie noch verabschieden mag. Sie blinkt zuweilen nach rechts, bleibt aber in den zentralen politischen Fragen weiterhin in der Ideologie des linksgrün dominierten „Bündnis gegen Rechts“ gefangen. Mit diesem Kurs ist die Union unter „Hoffnungsträger“ Friedrich Merz jetzt in der ersten Umfrage wieder auf die 24 Prozent zurückgefallen, die sie auch bei der letzten Bundestagswahl erreichen konnte. Für ein solches Ergebnis hatte man Armin Laschet damals vom Hof gejagt.

Bei der Vorstellung der „Agenda für Deutschland“ wurde übrigens mehr über München als über Deutschland geredet. Es ist Wahlkampf in Bayern. Das war der eigentliche Anlass für dieses „Papier“.

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