Mehr Verschwörungsbewusstsein ist nötig

Martin M. Mohrlieb über die Offensichtlichkeit von Verschwörungen in Politik und Gesellschaft. Und über die Konsequenzen, die sich für Politiker, Journalisten und jeden demokratisch gesinnten Bürger daraus ergeben.

Freimaurersymbole. / Bild: Ti_ auf pixabay.com / Lizenz: Pixabay Inhaltslizenz


Von Martin M. Mohrlieb

Es ist bereits ein Allgemeinplatz: Deutschland hat nicht nur ein Politikerproblem, sondern ein umfassendes Elitenproblem. Das ist leicht zu erkennen, wenn man sich die Äußerungen von Kirchen-, Verbands- und Firmenleitungen zur Dauerkrise seit 2013 anschaut. Nicht mal mehr vermeintlich politikferne Firmenchefs trauen sich noch, die von der etablierten Politik hausgemachten Ursachen in der Energie-, Corona-, Migrations- und Fiskalpolitik wirklich beim Namen zu nennen. Zu viele rosa Elefanten stehen im Raum, die allesamt elegant rhetorisch umschifft werden müssen. Denn jede klare Problemanalyse würde heute „Wasser auf die Mühlen der Rechten“ bedeuten, was einer Todsünde im Land der rot-grünen Prüderie gleichkäme.

Über die Gewerkschaftsbosse lohnt es sich hier kaum noch ein Wort zu verlieren. Schon seit Jahrzehnten hat man sich damit abgefunden, dass ihnen die „Internationale der Großkonzerne“ und sämtliche Projekte der Volkserziehung mehr am Herzen liegen, als die tatsächliche Vertretung von Arbeitnehmerinteressen.

Doch nicht nur die „Eliten“ der Wirtschaft versagen bei der Vertretung ihrer ureigensten Interessen in gravierender Weise. Auch die Kirchenführer in Deutschland trauen sich nicht mehr, ihre ureigensten „Geschäftsinteressen“ zu wahren. Statt Versöhnung und Einheit zu predigen – welche unsere Zeit so nötig hätten – predigen sie Spaltung und Ausgrenzung. Mal geht es gegen die Ungeimpften, mal gegen AfD-Mitglieder. Und mindestens durch ihr dröhnendes Schweigen erteilt die Amtskirche heute auch wieder Waffenlieferungen ihren Segen.

Das Versagen der nominalen „Eliten“ reicht dabei heute hinab bis in den kleinsten Hühnerzüchterverein. Lieber profilieren sich die Vorstände solcher Vereine mit „Genderfragen“ und dem „Kampf gegen rechts“, als sich um das schnöde Wohlergehen des lieben Federviehs zu kümmern, wie es ihre satzungsgemäße Aufgabe wäre.

Sämtliche öffentliche Institutionen gerieren sich in dieser Art heute als kleine Propagandaaußenstellen eines auf seltsame Art verbackenem Altparteienamalgams. In einer solchen Situation müsste eigentlich jeder Journalist zum eifrigen Verschwörungstheoretiker mutieren und der Frage nachjagen, wie es zu so einer weitgehenden Gleichschaltung einstmals antagonistischer Parteien und Gesellschaftsmilieus kommen konnte. Doch viel zu oft sind die „freien“ Journalisten selbst Teil von Netzwerken, Zirkeln und knallharten Lobbygruppen wie der „Atlantikbrücke“, wodurch sich Recherchen und Veröffentlichungen in diese Richtung verbieten. Wer eben selbst Verschwörungs-Praktiker ist, der taugt nicht zum „Verschwörungstheoretiker“.

Es widerspricht dabei doch jeder geschichtlichen Erfahrung anzunehmen, dass es heutzutage gar keine Verschwörungen mehr geben sollte. Das „Hinterzimmer“ ist um Jahrhunderte älter als jede parlamentarische Demokratie. Die einzige Frage, die sich im Zusammenhang mit Verschwörungen stellt, lautet deshalb doch: Wie viele Verschwörungen gibt es, und welche? Dass es gelungen ist, derartige Fragestellungen mit dem simplen Schmähbegriff „Verschwörungstheoretiker“ zu tabuisieren, kann man als propagandistische Meisterleistung zwar bewundern, jedoch muss man dieses Vorgehen als demokratisch gesinnter Bürger zugleich zutiefst verabscheuen.

Es spricht Bände, dass beispielsweise die Verflechtungen zwischen Friedrich Merz, BlackRock und den Grünen nicht von Journalisten, sondern von einer echten Oppositionspolitikerin – namentlich Beatrix von Storch – aufgedeckt wurden. Die Verfilzung zwischen Wirtschaft und Politik steht dabei erst seit wenigen Jahren auf der Tabu-Liste der Mainstreamjournalisten. Wer mehr als 30 Lenze zählt, kann sich vermutlich noch erinnern, dass derartige Themen einstmals im SPIEGEL jeden zweiten Artikel bestimmten. Heute würden solche Dinge im Mainstream nur noch thematisiert, wenn sie die einzig echte Oppositionspartei beträfen, wo sich allerdings in dieser Hinsicht nichts finden lässt.

Während die Verflechtungen zwischen Großindustrie und Regierungspolitik aber erst in neuerer Zeit aus dem journalistischen Blickfeld verschwinden, gibt es eine Reihe von Institutionen, die auf geradezu magische Weise schon lange der publizierten Öffentlichkeit im Mainstream entzogen sind: Es sind all jene Bünde, Logen und Organisationen, in denen sich ohnehin mächtige und wohlhabende Leute zusammenschließen, um explizit „hinter den Kulissen“ noch „wirksamer“ – also mächtiger – zu sein.

Das Recht, sich abgeschieden von der Öffentlichkeit zu treffen, soll hier auch für reiche Menschen natürlich nicht in Abrede gestellt werden. Womit man sich als Bürger allerdings nicht abfinden sollte, sind Journalisten, die es nicht für nötig halten, investigativ zu erforschen und kritisch zu hinterfragen, was derlei Reiche und Mächtige meinen, hinter verschlossenen Türen über unser aller Schicksal beschließen zu dürfen. Denn der Grundgedanke derartiger Vereine ist bestenfalls als institutionalisierter Filz, als eine Art „Vitamin B“ per Mitgliedsausweis, zu beschreiben.

Schärfer formuliert kann man Bünde wie Freimauer und Rotarier auch als „spartenübergreifende Kartellbildung“ oder „politik- und wirtschaftsübergreifende Seilschaften“ bezeichnen. Bis zu einem gewissen Grad wären aber selbst solche Seilschaften legal und sogar legitim. Ob aber nicht nur die Grenzen der Gesetzgebung, sondern auch die des guten Geschmacks und des Anstands, von solchen Bünden gewahrt werden, sollte von politischen Journalisten mit intaktem Berufsethos aber doch laufend hinterfragt werden.

Es besteht nämlich die völlig realistische Gefahr, dass derlei Bünde nicht nur den Parlamentarismus hintertreiben, indem sie nominal konträre Parteien „steuern“, sondern auch die Gewaltenteilung hintergehen, indem sie die Fraternisierung der antagonistischen Amtsträger hinter den Kulissen befördern. Wenn selbsternannte private Elite-Organisationen wie das „WEF“ sich anmaßen, die „Jungen Globalen Führer“ von morgen ausbilden zu können, und sich unverhohlen damit brüsten, in vielen westlichen Parlamenten bereits „eine Mehrheit ihrer Leute“ (Klaus Schwab) installiert zu haben, müssen doch bei jedem echten Demokraten die Alarmglocken schrillen.

Doch wenn man heute öffentlich das Wirken von Machtzirkeln und Geheimgesellschaften wie Freimaurern und Rotaryern kritisiert, so wird einem schnell das „Totschlagargument“ entgegengeschleudert, dass schon die Nazis die Freimaurer verboten und verfolgt hätten. Unterschlagen wird dabei gerne, dass die Nationalsozialisten selbst aus der DAP hervorgingen, die ihrerseits ein Projekt der bündischen Thule-Gesellschaft war. Also waren auch am Entstehen der NSDAP geheimbündlerische Strukturen maßgeblich beteiligt. Dieser Zusammenhang ist im Buch „Das Schwarze Reich“ von E. R. Carmin sehr gut belegt. Und der Autor wirft in gleichen Buch auch die berechtigte Frage auf, warum das Zusammenspiel zwischen den Nationalsozialisten, der Thule-Gesellschaft und dem Okkultismus bis heute in der Geschichtsschreibung so stiefmütterlich behandelt wird.

Der Verweis auf Verbot und Verfolgung der Freimaurer durch die Nationalsozialisten ist aber auch in der Hinsicht ein Strohmann-Argument, dass heute niemand ernsthaft das Verbot oder gar die Verfolgung solcher Organisationen fordert. Es geht um Aufklärung, nicht um Verbote und schon gar nicht um Verfolgung. Wem nämlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wirklich am Herzen liegen, der sollte sich nicht damit abfinden, dass die Aufklärung über solche bedenklichen Machenschaften tabuisiert werden soll. Wenn irgendwo journalistische Neugier wirklich angebracht ist, dann doch wohl in der Frage, was in den Hinterzimmern der Reichen und Mächtigen so gedacht und für die Gesellschaft geplant wird.

Alternative Parteien, die es mit der Sanierung unseres demokratischen Gemeinwesens ernst meinen, sollten daher auch vor diesem Tabuthema nicht zurückschrecken. Die Abfrage von Mitgliedschaften in Geheimbünden und -gesellschaften muss zwingend auch für die Transparenzregeln der staatlichen Parlamente gefordert werden; inklusive der zugehörigen Sanktionierung von Falschangaben. Und die Frage nach Mitgliedschaften in Geheimbünden und -verbindungen sollte auch verpflichtend an all jene Personen gerichtet werden, die sich in alternativen Parteien um politische Ämter bewerben. Denn in unserer gesamten Gesellschaft ist wesentlich mehr Verschwörungsbewusstsein nötig, um sicherzustellen, dass unser Gemeinwesen nicht durch ein Geheimwesen gesteuert wird.



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