Union am Scheideweg

Ist der ehemalige(?) BlackRock-Angestellte Merz frei und führungsstark genug, um den notwendigen Kurswechsel für CDU und CSU einzuleiten? Oder wird die „Brandmauer gegen rechts“ innerhalb der Union weiter unkontrolliert erodieren?

Nach 16 Merkel-Jahren. Die Union trägt erhebliche Mitschuld am Zustand des Landes. (Bild: Pixabay)

Die AfD eilt derzeit in der Sonntagsfrage von Höchststand zu Höchststand. In ersten Umfragen steht sie bei 18 Prozent und wird zuweilen schon als zweitstärkste politische Kraft in Deutschland eingeschätzt. Auch ihr Wählerpotential wächst weiter: nur noch 58 Prozent können sich in der „negativen Sonntagsfrage“ laut INSA auf keinen Fall vorstellen, die AfD zu wählen. Umgekehrt bedeutet dies, dass sich rund 42 Prozent der Wahlberechtigten eine politische Entwicklung vorstellen können, in der sie die AfD wählen würden. Die Ampel-Koalition in Berlin setzt gerade alles daran, eine solche Entwicklung in Deutschland herbeizuführen.

CDU/CSU können dagegen überraschenderweise kaum von der Chaos-Ampel profitieren. Sie pendeln bei Umfragewerten zwischen 28 und 31 Prozent herum. Solche Werte wurden zuvor auch unter dem Bundesvorsitzenden Armin Laschet erzielt, der gemeinhin als Fehlbesetzung galt.

Dass die Union als Oppositionsführer derzeit kaum Honig aus der Koalition der Deutschlandabschaffer ziehen kann, hat nur zum Teil mit den politischen Altlasten nach 16 Regierungsjahren unter Angela Merkel zu tun. Denn Wähler scheren sich leider kaum um politische Verantwortlichkeiten. Politiker können deshalb so verantwortungslos handeln wie sie wollen, weil sie sicher sein können, dass ihr „Geschwätz von gestern“ nicht nur sie selbst, sondern auch den Wähler morgen nicht mehr interessieren wird. Wahlentscheidend ist also niemals das Vergangene, sondern immer nur die Aussichten für die Zukunft. Und in einer solchen strategischen Zukunftsfrage hat Merz die CDU (und implizit die CSU) in eine absolute Sackgasse manövriert: Bei seinem Amtsantritt hat er die große Chance verpasst, die Selbstfesselung der Union an das links-grüne Lager sofort und ein für alle Mal zu beenden.

Anfangs schrieben kritische Medien dieses Versäumnis noch Merz’ zauderndem und ängstlichem Charakter zu. Doch inzwischen liegt der Verdacht näher, dass Merz’ Anbiederung an die Grünen vielmehr in einer eiskalten Profit-Agenda begründet ist. Denn wie Beatrix von Storch in der Jungen Freiheit darlegte, ist der Finanzgigant BlackRock nicht nur in die Unionsspitze bestens vernetzt, sondern auch auf Seiten „grüner“ NGOs vielseitig engagiert. Von Storch bezeichnete eine mögliche schwarz-grüne Koalition daher treffend als eine „Koalition von BlackRock mit BlackRock“.

Für ein solches schwarz-grünes Profitkartell stellt die klimaskeptische AfD natürlich ein maximales Renditerisiko dar. Aus diesem Blickwinkel erscheint das harte Vorgehen des Friedrich Merz gegen „Abweichler“ wie Max Otte und Hans-Georg Maaßen in einem gänzlich anderen Licht. Es wäre ein Leichtes für Merz als Parteivorsitzenden gewesen, diese Parteiausschlussverfahren abzuwenden. Doch Merz wollte alles tun, um in der Frage der „Abgrenzung gegen rechts“ glaubwürdig zu sein. Denn nur so wird die Koalition mit den Grünen jemals möglich sein, von der er schon so lange träumt. Dass Merz bis heute noch nicht den Rücktritt des Chaosministers Habeck gefordert hat, spricht ebenfalls Bände. So verhält sich kein Oppositionsführer, sondern das ist Scheinopposition wie aus dem Lehrbuch. Merz zeigt sich allzeit bereit, den Grünen als Koalitionspartner zur Seite zu stehen, sollten diese ihre Irrsinnsagenda in der Ampel nicht nachhaltig genug realisiert sehen.

Die starken Umfrageergebnisse für die AfD, das Stagnieren der Union sowie das Abrutschen von SPD und Grünen zeigen aber eines ganz deutlich: Die Wähler in Deutschland wollen weder eine Neuauflage der „GroKo“ noch eine Koalition der Union mit den deutschfeindlichen, grünen Klima-Chaoten. Das grüne Zeitalter geht hierzulande unumkehrbar zu Ende. Die politischen Gravitationsfelder ändern sich grundlegend. Und die geistig trägen Parteien der vermeintlichen Mitte müssen darauf langsam mal reagieren. Ansonsten werden sie vom Wähler endgültig aus der Bahn geworfen werden.

Denn der Wähler hat es allmählich durchschaut: Eine Stimme für CDU/CSU ist heute immer auch eine Stimme für die Grünen. Dabei ist es unerheblich, ob die Union diese grüne Politik in einer direkten Koalition mit den Grünen umsetzt oder innerhalb einer „GroKo“. Denn die sechs Altparteien sind allesamt lediglich „six shades of green“. Nur die AfD ist die einzige dezidiert anti-grüne Partei in so ziemlich jedem Politikfeld.

Wer zum links-grünen Sumpf, der jetzt in der Habeck-Affäre zutage tritt, nicht großzügig Abstand hält, wird früher oder später mit in die Tiefe gerissen werden. Es wird für einen Friedrich Merz daher nicht ausreichen, hier und da vor Wahlen mit plattem Talkshow-Populismus einen auf „AfD light“ zu machen. Gerade die bürgerlichen Wähler haben von jeglichem grünen Mist die Nase gestrichen voll. Sie wünschen sich von der Union viel eher eine Koalitionsabsage gegen die Grünen als gegen die AfD.

Und auch innerhalb der CDU-Parteibasis bekommt die sogenannte „Brandmauer gegen rechts“ immer mehr Risse. Immer wieder gibt es lokale Zusammenarbeiten zwischen der AfD und abtrünnigen CDU-Verbänden, wie beispielsweise in Stralsund, als es um das schwachsinnige Gendern ging, oder in Bautzen, beim heiklen Thema der Unterbringung von „Flüchtlingen“. Nebenbei bemerkt: Es greifen sogar die Grünen heute schon ungeniert auf AfD-Stimmen zurück, wenn es ihren Machtinteressen dient. Und ob der neue CDU-Bürgermeister von Berlin ohne AfD-Stimmen tatsächlich ins Amt gekommen wäre, kann auch niemand mehr mit Sicherheit sagen.

Falls Merz als ehemaliger(?) Mitarbeiter von BlackRock also überhaupt die Freiheit dazu hat, muss er sich bald entscheiden, ob er die Union bewusst für neue strategische Optionen öffnet oder ob er diesen Prozess unkontrolliert und führungslos vonstattengehen lassen will. Doch bei dieser Frage geht es um mehr als bloße politische Strategie. Denn es war die Union höchstselbst, die unter Angela Merkel mit der Ausgrenzungspolitik gegen die AfD die Höllentore der gesellschaftlichen Spaltung geöffnet hat.

Seitdem unter Merkel die Ausgrenzung der AfD und ihre Wähler zur gemeinhin akzeptierten politischen Methode wurde, hat unser Land eine verhängnisvolle Entwicklung genommen: Diffamierungsbegriffe wie „Europahasser“, „Rassisten“, „Coronaleugner“, „Ungeimpfte“, „Putin-Knechte“ und „Lumpen-Pazifisten“ gehören heute zur politischen und journalistischen Alltagssprache. Diese Begriffe legen ein beschämendes historisches Zeugnis über unsere Zeitepoche ab. Und solange weiterhin den gewählten AfD-Volksvertretern systematisch der sachliche Diskurs und fairer parlamentarischen Umgang verweigert werden, wird auch ein gesellschaftlicher Heilungsprozess unmöglich sein. Denn gesellschaftlicher Zusammenhalt kann in einer heterogener werdenden Gesellschaft nur auf der Grundlage von fairem, demokratischem Diskurs gedeihen.

Merz hätte nun die historische Chance, mit einer Rückkehr zu demokratischen Gepflogenheiten wenigstens einen Teil der geschichtlichen Schuld wiedergutzumachen, welche die Union in der Merkel-Ära unzweifelhaft auf sich geladen hat. Unser Land hätte den Einstieg in diesen Heilungsprozess dringend nötig. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das wäre lediglich ein zaghafter Anfang, die klaffende Wunde in unserer Gesellschaft an der Stelle zu heilen, an der sie erstmals auseinander riss. Abgeschlossen wäre der Heilungsprozess damit noch lange nicht.

Ob Merz den Mut zu diesem Neuanfang findet, ist mehr als fraglich. Falls nicht, wird die Union den Weg der anderen europäischen Christdemokraten gehen und in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Das muss dann als Trost erst mal reichen.

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