Priming – Lügen mit System

Mit der Ankündigung, Leopard-Panzer in die Ukraine liefern zu wollen, bricht Scholz unverhohlen ein zentrales Versprechen seiner bisherigen Politik im Ukraine-Konflikt. Noch in der gleichen Stellungnahme erklärt er der Bereitstellung von Kampfjets und der Entsendung von Bodentruppen eine vermeintlich klare Abfuhr. Dies darf man getrost als nur notdürftig verklausulierte Ankündigung der nächsten Schritte Deutschlands im Ukraine-Konflikt verstehen.

Olaf Scholz / Lizenz: Pixabay Lizenz

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, sagte einst Konrad Adenauer. Doch er sagte noch mehr, nämlich, „nichts hindert mich, weiser zu werden“. Man könnte jetzt den Eindruck gewinnen, heutige Politiker wäre sehr bestrebt darin, weiser zu werden. Denn sie wechseln ihre Grundüberzeugungen, wie andere Leute das Nachthemd – vor allem nach Wahlen. Die Grünen plakatierten vor dem 26. September ’21 breit und fett „Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete“, nur um dann – nach der Wahl – zu den eifrigsten Waffenlobbyisten zu mutieren. Von der Impfpflicht, die vor der Wahl noch eine „bösartige, rechte Verschwörungstheorie“ sein sollte, wollen wir hier auch gar nicht wieder anfangen. Denn wir wissen ohnehin, gelogen wurde in der Politik schon immer. Was heutzutage aber erstaunt, ist die Unverfrorenheit, mit der gelogen wird. Wäre das Sprichwort „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“ tatsächlich wahr, so wäre dieses dreiste Lügen heute nicht möglich. Lügen ist aber, zumindest im derzeitigen politischen Kontext, offenbar sehr profitabel und wir müssen uns fragen, warum das so ist.

Der naheliegendste Grund, warum sich die politische Lüge heute bezahlt macht, ist, dass mit ihr so gut wie keine politischen Kosten verbunden sind. Niemand (außer der tabuisierten Oppositionspartei AfD) fordert heute noch ernsthaft Rücktritte aufgrund von offensichtlichen Lügen in zentralen politischen Fragen. Nicht einmal quasi kriminelles Verhalten, wie das Erschleichen von Doktortiteln, hat ja heute noch ernsthafte Konsequenzen. Dreiste politische Lügen scheinen heute aber nicht nur nicht zu schaden, sondern unter den verlogenen Altparteienkollegen sogar gewisse Solidarisierungseffekte auszulösen. Kaum ein Politiker des Parteienkartells hat noch den Mut, den lügenden „Kollegen“ einen Lügner zu nennen, weil mit der Hand, mit der er auf jemanden zeigen würde, vier Finger auf ihn zurückweisen würden. So entsteht ein Kartell des gegenseitigen Schweigens nach dem Motto: „Willkommen im Club! Dir passiert hier nichts, wenn du frontal deine Wähler belügst. Du bist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie wir. Wir sitzen alle im selben Boot. Wir halten zusammen. Wir halten dicht.“

Auch die sogenannten Qualitätsjournalisten an den Rockzipfeln der Mächtigen haben es sich längst abgewöhnt, kritische Fragen zu stellen oder diese an frühere Aussagen und Versprechen zu erinnern. Und so bleibt nur das Gedächtnis des Wählers, um Politiker für ihre dreisten Lügen abzustrafen. Um die Erinnerungsfähigkeit des Wählers ist es aber bekanntermaßen sehr schlecht bestellt. Und sollte sich tatsächlich mal der eine oder andere Wähler an schamlose Lügen eines Politikers von vier Jahren zurückerinnern, so schützt das aktuelle Zweistimmenwahlrecht den lügenden Politiker vor dem gerechten Zorn des Wählers. Denn selbst Direktkandidaten sind durch ihre „Absicherung“ auf den Wahllisten vor dem Volkszorn geschützt. Dies Wahlrecht gehört dringend reformiert.

An dem aktuellen Wortbruch von Bundeskanzler Olaf Scholz, entgegen vorheriger Zusage der Ukraine jetzt doch Panzer liefern zu wollen, kann man sehen, wie aus der politischen Lüge dem Betreffenden nicht nur kein Schaden, sondern sogar politischer Nutzen erwächst. Die besondere Aufmerksamkeit, die ihm die Ankündigung der Leopard-2-Lieferungen brachte, nutzte Scholz sogleich, um der Lieferung von Kampfjets und der Entsendung von deutschen Bodentruppen eine Absage zu erteilen. Als wäre er nicht soeben beim dreisten Wortbruch ertappt worden, setzte der Mann mit den eklatanten Erinnerungslücken noch ein „Vertrauen Sie der Regierung“ hinzu. Das Fehlen jeglicher Scham und Reue lässt immer auf einen sehr schlechten Charakter schließen. Die hier offenbar werdende Skrupellosigkeit lässt für die Zukunft unseres Landes in dieser Krisenzeit nichts Gutes erwarten. So muss man das Dementi zukünftiger Lieferungen von Kampfjets und Bodentruppen, im Grunde als Ankündigung eben dieser Maßnahmen begreifen. Und jeder politisch interessierte Bürger spürt auch intuitiv, dass dem so ist. Doch warum ist das so?

In der Psychologie nennt man die hier von Scholz praktizierte Propaganda-Technik „Priming“. Der Zuhörer nimmt das Wort „nicht“ kaum wahr und gewöhnt sich schon mal an den neuen Gedanken. Das gesamte Themenfeld wird durch die bloße Nennung neuronal aufgerufen, die Zuhörerschaft beginnt in diese Richtung zu denken. Begleitet durch das Wort „nicht“ oder „keine“ unterläuft der skandalöse Inhalt, der hier „geprimed“ werden soll, unsere mentalen Abwehrreflexe. Bekannt sind uns die Implikationen des Satzes, „versuche nicht an einen rosa Elefanten zu denken“. Vergleichbar verhält es sich hier, bloß bezogen auf den gesellschaftlichen Debattenraum. Das Thema wird so still und leise auf die politische Agenda gesetzt.

Anders gesagt: In der Skala, die dem Overton-Fenster zugrunde liegt, wird eine Thematik damit aus dem Bereich des Undenkbaren und des Unsagbaren herausgeholt. Wenn also die zuvor tabuisierten Forderungen nach deutschen Kampfjets und Bodentruppen schon von einem Bundeskanzler dementiert werden müssen, dann werden sie gerade mit diesem Dementi in den Bereich des gesellschaftlich Diskutablen verschoben. Man sollte sich keine Illusionen darüber machen, dass Politiker wie Scholz und Co. nicht um diese Zusammenhänge wüssten; irgendetwas müssen sie ja bei den Young-Global-Leaders- und anderen WEF-Treffen auch gelernt haben. Deshalb muss man Scholzens Absage an die Lieferung von Kampfjets und die Entsendung von Bodentruppen im Grunde als politische Vorbereitung eben dieser kriegerischen Interventionen verstehen. Der Bruch dieser neusten Versprechen wird in Zukunft genauso wenig Empörung auslösen, wie es die Panzerlieferungen heute tun. So werden wir systematisch belogen. Und wir steuern auf einen heißen Krieg mit Russland zu, wenn wir jetzt nicht die Kraft finden, uns dagegen zu wehren.

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