Opfertätern vergeben?

Um die wahren Corona-Täter zu erkennen und zu benennen, müssen wir sie von den Opfertätern unterscheiden. Ob wir diesen Opfertätern vergeben können, sollen oder wollen, muss jeder am Ende selbst für sich entscheiden.

„Opfertäter“ / Bildquelle: mohamed_hassan auf pixabay.com

Es darf nicht vergessen werden: Das Unrecht der Corona-Maßnahmen dauert bis heute an. Insbesondere Behinderte und andere Menschen in staatlich alimentierten „Einrichtungen“ werden weiterhin gezwungen, depersonalisierende Masken zu tragen. Teilweise wird dies immer noch mit einem vermeintlichen „Hausrecht“ begründet, gegen das sich diese schutzbedürftigen Menschen kaum selbst zur Wehr setzen können. Wie viele Bewohner solcher Heime weiterhin gegen ihren Willen zu potenziell tödlichen „Impfungen“ gezwungen oder genötigt werden, ist schwer abzuschätzen.

Von dieser traurigen Tatsache abgesehen, ist es höchste Zeit, mit der Aufarbeitung des Corona-Maßnahmen-Unrechts zu beginnen. Denn längst wird mit der Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts die nächste Sau durchs Dorf gerieben, die uns von persönlich erlittenem Unrecht ablenken und den politischen Widerstand an neuen Sollbruchkanten spalten soll.

Die gesellschaftlichen Traumata der totalitären Corona-Zeit können derzeit nicht mittels politischer Untersuchungsausschüsse oder gar mittels des Strafrechts bearbeitet werden. Die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse und eine Richterschaft, die selbst zu Tätern geworden ist, geben dies (noch) nicht her.

Wir können aber mit einer Art Graswurzel-Aufarbeitung beginnen, zu der nicht nur Social-Media-Nutzer und kritische Blogger beitragen können, sondern die früher oder später zwangsläufig auch in unserem ganz persönlichen Umfeld stattfinden wird.

Es ist nachvollziehbar, dass nur wenige Menschen ein wirkliches Verlangen nach dieser Art der Aufarbeitung „nahe bei sich selbst“ verspüren. Viele Gräben zu Kollegen, Freunden, Nachbarn und Verwandten sind in den letzten zweieinhalb Jahren sehr tief geworden. Falls wir überhaupt noch miteinander reden, haben wir uns an viel zu viele Tabuzonen längst gewöhnt. Groß ist die Angst vor weiterem Schmerz auf allen Seiten. Doch das Gespinst der erlittenen und ausgeteilten Verletzungen hält uns alle in einer Art Stockholm-Syndrom gefangen, das den wahren Tätern den besten Schutz bietet. Wir müssen den stickigen Mief der Corona-Jahre jetzt mutig überwinden, ehe die nächsten politischen Fallen für die Normalbevölkerung aufgestellt sind. Die Graswurzel-Aufarbeitung muss jetzt beginnen, notfalls konfrontativ.

Um die wahren Täter zu erkennen und zu benennen, müssen wir sie von den Opfertätern unterscheiden. Ob wir diesen Opfertätern vergeben können, sollen oder wollen, muss jeder am Ende selbst für sich entscheiden.

Wer aber sind die Opfertäter? Gefühlt sind die Täter immer die anderen. Doch sollten wir uns gründlich prüfen, ob nicht wir selbst zu dieser Kategorie zählen. Bei Massenphänomenen wie Gaffer-Staus oder Hamsterkäufen sind es kleine Mikro-Entscheidungen, die sich zu teilweise fatalen Makro-Phänomenen aufschaukeln. Der Spieltheoretiker Christian Riek erklärt diese Phänomene sehr schön in einem Video.

Wie sahen also unsere kleinen Mikro-Entscheidungen während der Maßnahmen-Jahre aus, die uns eventuell selbst zu Opfertätern machte? Es waren zum Beispiel Masken, die wir getragen haben, Tests und Impfkampagnen, an denen wir teilgenommen haben. Mit diesen Symbolhandlungen stützten wir das Regierungsnarrativ und gaben anderen implizit die moralische Erlaubnis, ebenso zu handeln. Zu den Mikro-Entscheidungen gehörte auch das Akzeptieren von Kontaktverboten und Beschränkungen. Wie willkommen war es uns doch oftmals, den lästigen Familienpflichtbesuch zu Weihnachten oder Ostern endlich absagen zu können, weil man die alten Eltern „schützen“ wollte. Und wie bequem war es, die Oma im Altenheim nicht mehr besuchen zu müssen, sondern auf den „sicheren“ Videochat auszuweichen. Es war umgekehrt auch das vorauseilende Einfordern von „Schutz“ durch Großeltern, die sich die Enttäuschung ersparen wollten, gegen den eigenen Willen von Kindern und Enkeln „geschützt“, also nicht besucht zu werden. Manch einer mag seinen eigenen Kindern, seinen Enkeln oder sonstigen lieben Menschen auch zu einer äußerst fragwürdigen „Impfung“ geraten oder sie sogar dazu gedrängt haben. Oder wir haben im umgekehrten Fall, falls wir impfskeptisch waren, zu wenige der uns nahestehenden Menschen über die uns bekannten Folgen der Gen-Therapie aufgeklärt. Vielleicht sind wir während der Corona-Kernjahre auch passiv auf dem Sofa sitzen geblieben, statt uns den Montagsdemos anzuschließen, obwohl wir die „Maßnahmen“ tatsächlich ablehnten. Auch dies wird unsere Seele als eigene Schuld wahrnehmen.

Sicher haben wir alle für unser Verhalten gute oder zumindest mildernde Gründe: Wir glaubten zu einer Risikogruppe zu gehören. Wir wollten unsere Jobs nicht verlieren. Wir mussten unsere Familien ernähren. Unsere Kinder brauchten Schulbildung etc. Doch haben andere solche Gründe nicht etwa auch? Wir waren alle Opfer, aber eben auch fast alle Mitläufer und damit Mittäter. Wer also in dieser Hinsicht ganz ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein auf seinen immer noch Maske tragenden, fünffach geimpften Nachbarn.

Wenn wir unseren Anteil bei uns selbst erkennen können, werden wir fähig, unseren Mitmenschen vergleichbare Taten zu vergeben. Die wahren Corona-Täter wollen aber nicht, dass ihre Opfer sich untereinander ihre faulen Kompromisse, ihre Fehler, ihr Mitmachen und ihr Wegschauen verzeihen. Denn so könnten wir langsam das Dickicht der Schuldverstrickungen lichten, das diese schützt. Wir würden zunehmend diejenigen klar erkennen, die den Druck erst erzeugten, der uns straucheln ließ.

Die wahren Corona-Täter sind nicht nur unsere Ärzte, die aus Profitgier gewissenlos „impften“. Es sind auch die aktiven Hetzer gegen Ungeimpfte, die zahllosen kleinen Blockwarte, Denunzianten und politischen Sadisten (wie beispielsweise Söder), die sich an ihrer neuen Macht in zynischer Weise berauschten.

Zu den echten Corona-Tätern der besonderen Art gehören in Deutschland auch nicht wenige Beamte. Der „Befehlsnotstand“ kann bei Beamten nach zwei deutschen Diktaturen in hundert Jahren sicher nicht mehr als mildernder Umstand anerkannt werden. Jedenfalls nicht bei jenen Beamten, die ihrer Remonstrationspflicht nicht nachgekommen sind. Das deutsche Beamten(un)wesen gehört nach diesem neuerlichen historischen Versagen jedenfalls komplett auf den Prüfstand. Dass die fetten Pfründe, mit denen der Steuerzahler unsere Beamten bisher alimentierte, diese gegenüber politischen Willkürmaßnahmen besonders immun gemacht hätte, wird wohl nach den letzten drei Jahren niemand mehr behaupten wollen; viel eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

Zu den wahren Corona-Tätern vor Ort gehören sicher auch alle Pfarrer, Pastoren und Bischöfe, die sich an der Ausgrenzung Ungeimpfter beteiligt oder die Liturgie im Zuge der Maßnahmen zu einer gottlosen Maskerade entwürdigt haben. Auch diese können kaum mildernde Umstände geltend machen, denn qua Amt hätten sie es besser wissen müssen. In der erweiterten geschichtlichen Rückschau muss man bei den Amtskirchen unter totalitären Vorzeichen ohnehin schon von Wiederholungstätern reden.

Von Hannah Arendt stammt die Erkenntnis, dass die größten Anhänger von Kollektivschuldthesen immer diejenigen Protagonisten sind, die eine besonders große Individualschuld auf sich geladen haben. Falls sich die Individualschuld solcher Täter nicht irgendwie kollektivieren lässt, plädieren gerade diese auch gerne für ein „Lasst uns nach vorne schauen“ und bedingungsloses Verzeihen; selbstredend ohne vorheriges Schuldeingeständnis. An dieser Stelle kann man übrigens auch mal eine „Ethikratsvorsitzende“ wie Frau Buyx daran erinnern, dass man sich ohnehin nicht selbst entschuldigen kann, sondern allenfalls seine Opfer um Vergebung bitten kann.

Vieles wurde uns in den letzten Jahren politisch als „alternativlos“ verkauft. Eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen-Zeit auf allen Ebenen, also gesellschaftlich, juristisch, politisch ebenso wie zwischenmenschlich, ist aber tatsächlich unumgänglich, wenn unserer Gemeinwesen je wieder heilen soll. Denn wenn dies möglich war, ist alles möglich. Was in den letzten drei Jahren passiert ist, darf sich nie wiederholen.

Und abschließend an die wahren Täter gerichtet, die ihr zum großen Teil immer noch in euren Machtpositionen sitzt und jetzt gerne „nach vorn schauen“ würdet: Gerade ihr solltet es euch nicht wünschen, dass der Prozess der Aufarbeitung übersprungen wird. Denn ohne Aufarbeitung wird es auch für euch kein Vergeben, kein Vergessen und kein Verzeihen geben. Ein offener Dialog über das Unrecht der letzten Jahre ist auch in eurem Interesse. Nur so kann wieder Frieden werden.

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