Zurück in die Zukunft

Eine voreingenommen deutsche Betrachtung. Warum es nie zu spät ist, auch wenn es lange dauert, und Widerstand lohnt.

Stürmische Zeiten für unser Land. Bildlizenz: pixabay.com

„Ich will mein Land zurück!“ Das hört man oft dieser Tage in unserer geschundenen Heimat. Je nach Alter des Sprechers dieses Satzes ist meist die Bundesrepublik der 70er-, 80er- oder 90er-Jahre gemeint, mitunter sogar die DDR. „Die war wenigstens deutsch!“, wird dann meist entschuldigend hinzugefügt.

Doch eines ist klar, und das galt schon immer: Es wird nie mehr wie es war! Und das muss man sich vergegenwärtigen, um nicht zu resignieren. Wer einem Utopia der Vergangenheit nachhängt, wird außer bittersüßer Frustration nichts gewinnen. Und außerdem: Waren die verklärten Jahrzehnte, in denen im Westen die Wohlstandsdekadenz fröhliche Urstände feierte und im Osten ein brachiales Regime misswirtschaftete, wirklich ein Punkt in der Raumzeit zu dem wir dauerhaft zurückkehren wollen?

Wer dagegen behauptet, „Nach Corona wird nichts mehr sein, wie es mal war!“ oder „2015 darf und wird sich nicht wiederholen“, ist immer auf der sicheren Seite und wird argumentativ obsiegen. Denn die Wiederholung von Jahren wurde tatsächlich noch niemals beobachtet. Und in der Zukunft ist immer alles irgendwie ein bisschen anders; zumindest ist dann alles (einschließlich uns selbst) etwas älter geworden. „Man steigt nie zweimal in den gleichen Fluss. Alles fließt.“, sagte Heraklit. Die Zeit schreitet immer voran. Ob die heute voranschreitende Zeit sich rückblickend aber „Fortschritt“ wird nennen dürfen, wird erst die Zukunft zeigen.

Das Vergangene ist vergangen und kehrt nicht zurück, also sollte man in die Zukunft blicken und diese gestalten. Doch warum kommen gewisse AfD-ler immer wieder auf unsere Geschichte, die doch auch eine so schwere Last beinhaltet, zu sprechen? Das ist doch „rückwärtsgewandt“, das „nervt“, das „stört“, das „kostet uns Wählerstimmen“.

Wir können nicht dauerhaft zurück und wollen das auch gar nicht ernsthaft. Und wir können nicht alles aus der Vergangenheit retten. Aber wir können und dürfen auch nicht alles kampflos verloren geben. Wir müssen prüfen, was zu retten lohnt, was unsere Identität vital, also positiv(!), bestimmt und mit in die Zukunft gerettet werden muss. Das ist im besten Sinne konservativ. Neben der Identitätsbestimmung ist der Blick auf die Geschichte noch aus einem weiteren Grunde wichtig: Sie gibt uns den langen Atem, den wir brauchen werden.

Denn, „Es ist zu spät. Unser Land ist gekippt!“, auch solches hört man dieser Tage oft. Die zahlreichen Nudging- und Framing-Agenturen der Regierung können sich auf die Schulter klopfen! Denn dies ist genau das, was sie dem Volk einimpfen wollen: Fatalismus, Resignation und Larmoyanz. Doch resultiert die hier zum Ausdruck kommende Verzweiflung nur aus einer Betrachtungsweise, die maximal in Wahlperioden denkt: Eine Mehrheit jenseits der etablierten Blockparteien ist nicht in Sicht, also wehe uns Armen! Stecken wir den Kopf also lieber gleich selbst in den Sand, ehe der Import-Islamist ihn uns von den Schultern säbelt!

Doch Geschichte lässt sich nicht in Legislaturperioden zwängen. Die wirklichen Veränderungen fanden noch nie in den Parlamenten statt, sondern haben diese in Demokratien bestenfalls irgendwann erreicht und wurden dann dort abgebildet.

Auch ein Blick in unsere eigene Geschichte macht Mut: Selbst die grausamsten Terrorregime können sich im geschichtlichen Maßstab nur kurze Zeit halten: DDR und Nationalsozialismus verschwanden, wie unangreifbar und unbesiegbar sie zeitweise auch erschienen.

Und schauen wir über unseren nationalen Tellerrand hinaus: Unser Nachbarland Polen war zeitweilig sogar völlig von der Landkarte verschwunden. Heute steht es wieder stolz und fest da, wenn auch in etwas veränderten Grenzen. Der identitäre Zusammenhang des polnischen Volkes war stärker als alle Stürme der Geschichte.

Auch die amalgamierten sozialistischen Konstrukte „Sowjetunion“ und „Jugoslawien“ zerfielen. Die in ihnen verrührten Völker entmischten sich nach dem Wegfall äußeren Zwanges wie sich Öl und Wasser trennen. Sie reanimierten ihre kulturellen Sitten und Traditionen und können nun neu in Freiheit und Selbstbestimmung aufblühen.

Die Reconquista auf der Iberischen Halbinsel dauerte sogar fast ein halbes Jahrtausend an, bis sie erfolgreich abgeschlossen wurde. Spanien und Portugal wurden so Teil des christlich-abendländischen Kulturkeises und entgingen dem grausamen Schicksal islamische Staaten zu werden.

Israel ist als Vorbild besonders interessant: Mehr als tausend Jahre war ein derart bezeichnetes Gebiet auf der Landkarte nicht mehr zu finden. Die Juden waren über die ganze Welt verstreut. Dennoch ging ihre Identität nicht verloren, denn sie gründet im Immateriellen: in ihrer heiligen Schrift, in ihren Kulten und Riten, in ihrer gemeinsamen Geschichte als „Volk Gottes“. Heute steht der Staat Israel stark und frei inmitten einer vom Islam gebeutelten Weltregion.

Auch wir werden unser Land nicht mit ein paar Demonstrationen oder Wahlkämpfen retten können. Wir werden es auch nie mehr zu dem Land machen können, das es einmal war. Aber wir können daran arbeiten, dass es auch in Zukunft ein Land geben wird, das den Namen ‚Deutschland‘ verdient, und dass darin ein Volk leben wird, das sich berechtigt ‚Deutsche‘ nennen darf.

Wir haben noch sehr viel geistige, kulturelle und historische Substanz, auf die wir uns neu besinnen müssen. Wir müssen unsere mentalen Zeitkapseln mit diesen Schätzen befüllen und so viel mitnehmen wie es nur eben geht. Wir werden sie als Wegzehrung und Wegweiser in die Zukunft brauchen.


Dieser Artikel erschien auch auf compact-online.de: https://www.compact-online.de/zurueck-in-die-zukunft/.

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