Höcke ante portas

Höckes Einfluss in der AfD ist nach dem Parteitag von Riesa größer denn je. Wer seinen Erfolg nicht nachvollziehen kann, der kennt ihn in der Regel nicht aus eigener Anschauung. Besonders im Westen des Landes verlässt man sich in Bezug auf Höcke immer noch bereitwillig auf das Zerrbild, das in den Mainstreammedien von ihm gezeichnet wird.

Björn Höcke spricht in Mödlareuth * Foto: PantheraLeo1359531, commons.wikimedia.org * Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Das traditionelle „Rechtsruck“-Gerede nach AfD-Parteitagen blieb dieses Mal weitgehend aus. Die abgedroschene Phrase wäre diesmal wohl auch unbedarften Konsumenten politischer Propaganda kaum noch zu vermitteln gewesen. Denn die nachrückende Alice Weidel ist dem politisch halbwegs interessierten Bürger aus eigener Anschauung hinlänglich bekannt und genießt durchaus auch Sympathien jenseits der AfD-Stammwählerschaft.

Anders verhält es sich bei Björn Höcke. Der Tenor der Mainstreampresse lief daher diesmal auf Aussagen wie „Vorstand von Höckes Gnaden“ (taz.de) oder „Siegeszug mit Sollbruchstellen“ (mdr.de) hinaus. Solche Artikel werden im Vertrauen auf die gelungene Dämonisierung Höckes veröffentlicht. Denn bis heute kennen diesen medial verbannten Politiker immer noch sehr wenige Bürger aus eigener Anschauung. Von der impliziten Negativbewertung von Höckes Person einmal abgesehen, die solchen Artikeln zu Grund liegt, ist aber an diesen Analysen tatsächlich etwas dran: Höcke geht aus dem Parteitag maximal gestärkt hervor.

Zwar scheute Höcke auch diesmal eine eigene Kandidatur, jedoch kann man behaupten, dass er sie für den nächsten Parteitag bestens vorbereitet hat. Mit deutlicher Zweidrittelmehrheit beschloss der Parteitag seinen Änderungsantrag für die Satzung anzunehmen. Durch diesen kann zukünftig die AfD auch durch eine Einerspitze, statt der bisher verpflichtenden Doppelspitze, geführt werden.

Da dieser Antrag von Höcke persönlich kam, war unzweifelhaft, wessen Ambitionen er dienen sollte. Unter den bedauerlicherweise in Deutschland gegebenen medialen Bedingungen kann Höcke, sollte er tatsächlich eines Tages als Parteisprecher gewählt werden, dies nur alleine tun. In einer Doppelspitze würde stets sein Co-Vorsitzender zu Interviews geladen werden, um dort in einem fort zu Distanzierungen von Höcke genötigt zu werden. Mit der Möglichkeit zur Einerspitze ist also prinzipiell der Weg frei für Höcke. Daher kann diese Abstimmung auch durchaus als Stimmungstest für eine zukünftige Kandidatur seinerseits gewertet werden. Höckes Einfluss in der AfD ist somit tatsächlich größer denn je. Da haben die Mainstreammedien ausnahmsweise einmal recht.

Wer Höckes wachsenden Einfluss nicht versteht, der kennt ihn vermutlich nicht wirklich. Dies gilt insbesondere für viele Menschen im Westen unseres Landes, die, auch wenn sie ansonsten kritisch sind, leider in Bezug auf Höcke noch zu sehr dem Zerrbild der Mainstreammedien vertrauen. Dieses Zerrbild wurde sorgfältig durch aus dem Zusammenhang gerissene Halbsätze und sinnentstellte Zitate aufgebaut. Der YouTuber Feroz Khan hat sich ein Mal die Mühe gemacht, die gravierendsten Fehldarstellungen aufzuklären.

Bis heute ist dabei unklar, ob Höcke, trotz seiner jetzt sehr starken Position, zukünftig für den Bundesvorsitz kandidieren wird. Seine Gegner unterstellen ihm zwar einen unstillbaren Machthunger, aber diese Unterstellung gehört zum kleinen politischen Einmaleins: Machthungrig sind immer nur die anderen. Höcke selbst ist vielmehr überzeugt, dass grundlegende politische Veränderung in Deutschland über die Bundesländer in „positiven Tabubrüchen“ stattfindet. Das spricht eher dafür, dass er die AfD weiter aus seiner starken Position in Thüringen heraus vorantreiben will.

Anders als medial kolportiert, sind Höckes politischen Vorstellungen dabei nicht „rechts“ im landläufigen Wortsinne. Besonders seine wirtschaftlichen und sozialpolitischen Vorstellungen würde man nach den überkommenen etablierten Denkmustern eher als links denn als rechts bezeichnen. Genau dies, und nicht etwa seine vermeintlich rechte Gesinnung, brachte ihn in Konflikt mit dem wirtschaftsliberalen Spektrum der AfD rund um Jörg Meuthen. Und genau dies macht ihn für die linken Parteien in Deutschland als politischer Konkurrent so gefährlich.

Höcke verfolgt eine sozialpolitische Agenda, die die Interessen verarmender deutscher(!) Bevölkerungsschichten nicht aus dem Blick verliert. Er setzt dabei nicht auf sozialistische Umverteilungsträume oder Neiddebatten. Neben der Streichung kostspieliger Ideologieprojekte wie Massenmigration, Klimakult und Gender-Gaga setzt er auf die konsequente Vertretung deutscher Interessen in der Außenpolitik. Im Inland will er die soziale Komponente der sozialen Marktwirtschaft neu beleben und dazu von Fehlanreizen und sachfremden Belastungen befreien.

In Reden knüpft Höcke gerne bei Bismarck und somit der urdeutschen Tradition der Sozialversicherung an. Dies kommt dem Streben der Deutschen nach Sicherheit und Kontinuität sehr entgegen. Im sozialen Bereich steht er somit eher für Traditionspflege als für Revolution. Er will die ehemals funktionierenden sozialen Sicherungssysteme wiederbeleben und hierzu von Überlastungen und Missbrauch befreien. Die Vorstellungen eines Jörg Meuthen, beispielsweise in Bezug auf die Rentenpolitik, waren da schon sehr viel radikaler.

Doch Höcke argumentiert auch nicht explizit anti-liberal. Letztlich geht es auch ihm im Kern um die Ertüchtigung des Einzelnen, so dass dieser wieder in die Lage versetzt wird, sein wirtschaftliches Leben aus eigener Kraft zu bestreiten – ohne dauerhafte staatliche Fürsorge. Mit dem Slogan „sozial ohne rot zu werden“ wurde seine Agenda diesbezüglich sehr gut auf den Punkt gebracht.

Der von Höcke selbst so bezeichnete „sozialpatriotische Kurs“ ist den christsozialen Vorstellungen der damals so erfolgreichen Franz-Josef-Strauß-CSU näher, als denen der SPD oder der Linkspartei. Er ist in Bezug auf die sozialen Sicherungssysteme konservativ im Wortsinne: Das Gute im Kern bewahren, es aber sorgsam von angesammeltem Ballast und Fehlanreizen befreien. Das entspricht bester konservativer Tradition.

Aber egal, ob man für oder gegen Höcke ist, wer seinen Erfolg innerhalb der AfD bis heute nicht versteht, der weiß vermutlich wenig über ihn aus erster Hand. Man sollte sich als politisch interessierter Bürger über ungeschnittene Originalreden oder über sein Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ ein eigenes Bild von ihm machen. Denn Höcke, egal für welche Ämter er zukünftig kandidiert oder nicht kandidiert, wird in der AfD weiter an Einfluss gewinnen.

Nach dem Parteitag von Riesa gilt jedenfalls mehr als zuvor, was „t-online.de“ bereits vor dem Parteitag titelte: Höcke ante portas! Vieles deutet darauf hin, dass der neue AfD-Bundesvorstand gewillt ist, einen entspannten und konstruktiven Umgang mit dieser Tatsache zu finden.


Anmerkung in eigener Sache:
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