Die „Professionalisierung“ der AfD

Die AfD wird sehr dicke Bretter bohren müssen. Mit der absehbaren Übernahme von Regierungsverantwortung ist sie nicht etwa am Ziel, sondern ihre eigentliche Charakterprobe wird dann erst beginnen. Die AfD braucht dafür treue Unterstützer, die sie sehr langfristig an sich binden muss. Allein mit „politischem Marketing“ geht das nicht.

Im Gleichschritt – Marsch!?

Viel ist dieser Tage in der AfD von „Professionalisierung“ die Rede. Von Politikern sollte man erwarten können, dass sie die Bedeutung ihrer Worte kennen. „Profession“ ist dabei nichts anderes als ein Fremdwort für Beruf und Gewerbe. Wenn Deutschland aber eines nicht braucht, dann ist es eine weitere Berufspolitikerpartei. Gegen mehr Effizienz und optimierte Abläufe ist dabei nichts einzuwenden. Man könnte diese Banalität aber einfach mit dem Satz, „wir müssen schlagkräftiger werden“, zum Ausdruck bringen. Doch man wählt den Begriff der Professionalisierung, weil man vermutlich genau diesen auch meint. Nach der Peitsche der „Antifa“ schmeckt das Zuckerbrot des Pfründestaats so manchem wohl besonders köstlich.

Viel ist in der Parteispitze noch von direkter Demokratie und Amtszeitbegrenzungen die Rede. Aber dies nur in Sonntagsreden und nur insoweit es die Politik im Allgemeinen betrifft. Innerparteilich wird die Parteibasis dagegen sukzessive entmachtet, indem auf Delegiertensysteme umgestellt wird, wo immer dies möglich ist. Anträge zur Begrenzung der Anzahl möglicher Legislaturperioden bei Parteiämtern werden von den Vollzeitpolitikern in spe in der Regel abgeschmettert.

Am Bedenklichsten ist aber der Umgang mit dem innerparteilichen Konkurrenten und dessen Recht auf abweichende Meinung oder verbale Ungeschicklichkeiten. Der Umgang mit Maximilian Krah erinnert fatal an ähnliche Vorgehensweisen unter Lucke, Petry und Meuthen. Offenbar kann kein Parteivorsitzender dieser Versuchung über längere Zeit widerstehen. Die AfD soll mal wieder stromlinienförmig und „marktgerecht“ gemacht werden.

Eine solche Strategie verkennt, dass der AfD-Sympathisant überhaupt keine flach gelutschte, süßliche AfD haben möchte. Vielmehr ist gerade das herzhafte und kantige Anderssein dieser Partei der Grund, warum sie im Volk so beliebt ist. Wenn der Preis für politische Mehrheiten der Verrat an der Parteiseele ist, dann ist der Preis zu hoch. Eine AfD mit 40 Prozent Zustimmung ist völlig wertlos, wenn sie genauso opportunistische Cancel-Culture praktiziert wie die Altparteien.

Überzeugen, nicht überreden

Gegen kluges politisches Marketing ist naturgemäß nichts einzuwenden, aber das Marketing darf die Substanz nicht untergraben. Es ist ein schlechter Tausch, für einen potenziellen Neuwähler drei treue verdiente Mitstreiter zu enttäuschen und zu demobilisieren.

Die AfD wird sehr dicke Bretter bohren müssen. Mit der absehbaren Übernahme von Regierungsverantwortung ist sie nicht etwa am Ziel, sondern ihre eigentliche Charakterprobe wird dann erst beginnen. Sie wird – ohne Frage – dabei auch Fehler machen, die dem Wahlvolk starke Bauchschmerzen verursachen werden. Wähler, die durch „cleveres Taktieren“ herbei getrickst wurden, werden dann ebenso schnell weg sein, wie sie gewonnen wurden. Die AfD braucht daher treue Unterstützer, die sie sehr langfristig an sich binden muss. Diese kann man nicht einfach überreden oder durch „geschicktes Marketing“ für sich gewinnen, sondern solche Unterstützer müssen inhaltlich überzeugt werden – und zwar auch durch glaubhaftes Handeln innerhalb der Partei.

Nicht dem Drachen opfern

Die Vorstände der AfD müssen sich vor ihre gewählten Spitzenkandidaten ebenso stellen, wie vor ihre Mitglieder und Unterstützer. Sie dürfen auf keinen Fall an Verleumdungen mitwirken – auch nicht durch unterlassene Hilfeleistung bei abstrusen Vorwürfen. Sie dürfen unbequeme Geister nicht dem politisch korrekten Zeitgeist zum Fraß vorwerfen. Das opportunistische Kalkül bei solchen Auslieferungen von Mitstreitern ist stets, durch die Opferung Einzelner dem „großen Ganzen“ zum Sieg zu verhelfen. Eine solche Strategie kann aber langfristig niemals zum Erfolg führen. Denn jeder ernsthaft regierungskritische Deutsche, also jeder potenzielle AfD-Wähler, hat heute schon die Erfahrung gemacht, für seine Ansichten in die rechtsextreme Ecke gestellt zu werden. Da die meisten Menschen mit Empathie begabt sind, werden sie sich bei solchen Vorgängen also fragen: Wie würden die mit mir umgehen, wenn ich mich mal im Ton vergreife? Wie sähe es aus, wenn Geheimdienste oder Spitzel meine private Kommunikation abhören, aus dem Zusammenhang reißen und in die Öffentlichkeit zerren würden? Warum sollte ich Mitglied in einer Partei werden, die zu den gleichen Methoden der Ausgrenzung und der Cancel-Culture greift, die sie bei anderen kritisiert? Zur Not kann ich vielleicht mit 40 Millionen Migranten in diesem Land irgendwie leben, aber ein Leben ohne Meinungsfreiheit ist ein würdeloses Leben in einem geistigen Gefängnis. Also, wofür soll ich noch die AfD wählen?

In unserem kollektiven Bewusstsein sind diese Erfahrungen in Sagen und Märchen bereits fest kodiert: Der Drache fordert zuerst immer „nur“ eine unschuldige Jungfrau pro Jahr als Opfer, um die Bewohner des Dorfes in Ruhe zu lassen. Doch diese Märchen gehen nie gut aus. Der Drache wird immer gefräßiger. Am Ende bleibt den Dorfbewohnern nie etwas anderes übrig, als den Mut aufzubringen, von den Beschwichtigungsopfern abzulassen und den Drachen frontal anzugreifen.

Weniger episch gesprochen: Die Selbstentlastung, mit dem Finger auf andere zeigen, nach dem Motto, „ich bin nicht rechtsextrem, aber mein Nachbar zur Rechten, der ist rechtsextrem“, die funktioniert nicht. Das Overton-Fenster, das Fenster des gesellschaftlich Sagbaren, wird dann immer kleiner. Denn wenn meine rechten Nachbarn alle weg sind, bin irgendwann ich selbst der „Rechtsaußen“.

Und auch dies muss jedem AfD-Mitglied klar sein: Das politische Establishment will keine AfD, in keiner Form – auch keine gemäßigte. Jegliche Unterwerfung unter die politische Korrektheit ist daher vergebene Liebesmüh.

Selbstdisziplin, Selbstkritik und Wille zur Einheit

Die Meinungsfreiheit darf für die AfD nicht ein Thema unter vielen sein. Die Meinungsfreiheit ist das Thema, an dem sich Deutschlands Zukunft entscheiden wird. Nicht nur Wissenschafts- und Kunstfreiheit leiten sich unmittelbar aus ihr ab, sondern auch die Freiheit des politischen Diskurses, ohne die jegliche Demokratie zur Farce wird.

Wahnsinn ist, immer die gleichen Fehler zu machen und andere Ergebnisse zu erwarten. Man möchte hoffen, dass der Bundesvorstand und auch der Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen zu Selbstkritik und Umkehr fähig sind. Ansonsten kann man sich darauf verlassen, dass die Parteibasis der AfD weiterhin wach und selbstbewusst genug ist, sich diesen verheerenden Tendenzen erneut entgegenzustellen.

Alle Parteimitglieder und -funktionäre sind jetzt zu Selbstdisziplin, Selbstkritik und zum Willen zur Einheit aufgerufen. Nur so ist ein erneutes Lucke-Petry-Meuthen-Szenario zu verhindern. Falls es doch nicht zu vermeiden ist, wird die AfD es auch diesmal überstehen. Aber es wird die Partei wieder wertvolle Zeit kosten, die unser Land nicht mehr hat.

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