Keine Partei wie jede andere

Das Parteiensystem in Deutschland gerät in Bewegung. Die AfD muss sich auf den Wandel ihrer Rolle innerhalb dieses Systems einstellen. Die Unrechtserfahrungen, die jedes AfD-Mitglied in den letzten 10 Jahren am eigenen Leib erlebt hat, sind jetzt die Kraftquelle, um Kurs zu halten. Deutschland braucht tiefgreifende Reformen, um das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat wiederherzustellen.

Die AfD ist anders und muss es bleiben. / Bildrechte: Autor

Deutschland erlebt gerade ein stilles politisches Erdbeben. Die politischen Kraftfelder verschieben sich grundlegend. Das Zeitalter grüner Hegemonie geht zu Ende. Die AfD knackt in einer Umfrage erstmals die 20-Prozent-Marke und steht in dieser und anderen Umfragen auf dem zweiten Platz vor der SPD. Die AfD schickt sich an, in ganz Deutschland den Status einer Volkspartei zu erreichen, den sie in Mitteldeutschland mit 32 Prozent Zustimmung bereits erreicht hat.

Doch allzu tumben Jubel über diese Zahlen sollte sich die AfD selbst verbieten. Denn ihre Aufgabe ist weit größer, als Mehrheiten in einem Parteiensystem zu generieren, das selbst äußerst fragwürdig geworden ist. Man muss sich stets vor Augen führen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Wahlberechtigten diesem politischen System insgesamt kein Vertrauen mehr entgegenbringt und gar nicht mehr zur Wahl geht. Im größten Bundesland NRW enthielten sich bei der letzten Landtagswahl rund 45 Prozent der Wahlberechtigten ihrer Stimmabgabe. Das waren mehr Menschen als CDU, SPD und Grüne zusammen mobilisieren konnten.

Die Nichtwähler sind heute alles andere als unpolitisch. Fast niemand kann sich noch dem Sog der von der Politik selbstproduzierten Katastrophen entziehen. Egal ob Messermigration, Klimawahnsinn, Kriegsgeilheit oder die horrende Inflation, niemand in der Mittelschicht kann sich den politisch verursachten Krisen noch entziehen. Der politische Leidensdruck ist bei allen Bürgern voll angekommen. Doch haben viele Bürger den Glauben verloren, dass innerhalb unseres politischen Systems daran noch etwas geändert werden könnte.

Diese Skepsis ist äußerst berechtigt. Denn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht erst seit der Merkel-Zeit bis zur Unkenntlichkeit deformiert worden. Die für ein demokratisches Gemeinwesen essenzielle Gewaltenteilung war beispielsweise von Anfang an niemals besonders stark in unserem Grundgesetz implementiert, sodass der Unterwanderung der Gewalten durch die politischen Parteien Tür und Tor geöffnet war. So hört man von bekennenden Nichtwählern oft, die Parteien seien nicht die Lösung, sondern seien das Problem. Und dem kann man nicht ernsthaft widersprechen.

Die AfD wird bei solcher Parteienschelte gerne in Mithaftung genommen. Sie bekommt in diesem Kontext allenfalls einen gewissen Sympathiebonus zugesprochen, weil sie durch die Altparteien in demokratieverachtender Weise ausgegrenzt und diffamiert wird. Auch der seit Jahren andauernde Terror durch handfeste Gewaltanwendung gegen diese Partei ist kritischen Geistern in der Regel nicht unbekannt. Doch es bleibt bei den Systemskeptikern der berechtigte Zweifel, ob die AfD nach dem Ende der politischen Ausgrenzung nicht auch den Verlockungen des Pfründestaates erliegen wird. Es ist der Zweifel, ob die AfD, die der „Peitsche“ der sozialen Ausgrenzung jetzt 10 Jahre lang tapfer widerstanden hat, auch dem „Zuckerbrot“ der Privilegien wird widerstehen können. Es steht der Verdacht im Raum, dass die AfD lediglich die nächste Partei wird, die es sich auf Kosten des Steuerzahlers gemütlich in den Parlaments- und Regierungssesseln einrichten will. Dieser Versuchung müssen die AfD-Abgeordneten und -Mitarbeiter mit aller Kraft widerstehen.

Es wäre jedoch absurd anzunehmen, dass Dienstlimousinen, exorbitante Pensionsansprüche und Mitarbeiter auf Staatskosten nicht auch auf AfD-Mandatsträger Eindruck machen würden. Auch AfD-Abgeordnete sind Menschen. Doch gibt es auch Grund für die Hoffnung, dass diese Leckerlis bei AfD-Abgeordneten im Großen und Ganzen nicht die zähmende Wirkung werden entfalten können, für die sie konzipiert wurden. Denn jedes AfD-Mitglied (vor allem, wenn es schon länger in dieser Partei ist) hat bereits am eigenen Leib erlebt, zu welcher Willkür und zu welchem Terror dieser Staat in der Lage ist. Die jahrelange Nazi-Diffamierung, die schon alltägliche Gewalt gegen AfD-Stände oder Schüsse auf Plakatierer sowie die regelmäßigen Anschläge auf Autos, Büros und Privathäuser haben Narben hinterlassen. Der Terror gegen die AfD reicht hinab bis auf die Ortsverbandsebene und trifft zuweilen auch einfache Parteimitglieder. Das alles wird auch in Regierungsverantwortung niemals vergessen werden. Ebenso werden die vielen absurden Richtersprüche zum Corona-Unrecht und die bis zum Tag der Bedeutungslosigkeit verschleppten Gerichtsverfahren, nicht mit noch so viel Euros aus dem Gedächtnis von Abgeordneten zu löschen sein.

Und dennoch, es ist die Aufgabe der Wähler und der AfD-Basis wachsam und kritisch zu bleiben gegenüber zu eilfertiger Anpassung an das politische System. Sie müssen genau hinschauen, welches Personal die AfD mit Macht und Verantwortung betrauen will. Sie sollten sehr aufmerksam und kritisch sein gegenüber ersten Verfallserscheinungen – und seien es nur rhetorische Unschärfen. Wenn beispielsweise von Spitzenpolitikern der AfD gedankenlos eine „Professionalisierung“ der Partei gefordert wird, dann sollte man diese Politiker schon mal darauf hinweisen, dass „Profession“ nur ein Fremdwort für Beruf ist. Und dass man eines ganz sicher nicht will: Eine weitere Partei von Berufspolitikern.

Und wenn Politiker der AfD ihrer eigenen Partei nahelegen, sie müsse „koalitionsfähig“ werden, dann sollten beim kritischen Beobachter alle Alarmglocken schrillen. Denn es ist nicht die AfD gewesen, die in Deutschland seit 10 Jahren Recht und Gesetz wie am Fließband gebrochen hat. Es sind die Altparteien, die erst mal wieder ihre demokratische und rechtsstaatliche Eignung nachweisen müssen, indem sie in eine rechtliche Aufarbeitung der Eurorettungs-, Migrations- und Coronapolitik einwilligen. Bis dahin sollten solche Altparteien für die AfD nicht „koalitionsfähig“ sein. Sich selbst für solche Parteien „koalitionsfähig“ machen zu wollen, offenbart jedenfalls ein äußerst fragwürdiges Verständnis der eigenen Rolle in unserem dysfunktionalen politischen System.

Dass es mit tagespolitischer Opposition zu Themen wie Inflation, Migration oder Wärmepumpen nicht getan sein kann, hat übrigens kein Politiker in der AfD so früh und klar erkannt wie Björn Höcke. Immer wieder kommt er darauf zurück, dass die Parteien selbst ein Problem in Deutschland geworden sind, welches wir paradoxerweise nur über den Weg einer „Bewegungspartei“ werden ändern können. Gerade diese Positionierung brachte Höcke ab 2017 in Konflikt mit Jörg Meuthen, der eine schnelle Aussöhnung mit dem etablierten System anstrebte. Wer als politisch interessierter Bürger die AfD aber auf einem Kurs halten will, der notwendige tiefgreifenden Veränderungen in Deutschland erreichen kann, sollte die mediale Abschreckung überwinden und sich selbst ein weniger zensiertes Bild von diesem Politiker machen.

Da jetzt zumindest die soziale Ausgrenzung der AfD jetzt an ihr natürliches Ende kommt, wird auch die politische „Brandmauer gegen rechts“ immer schwerer aufrechtzuerhalten sein. Wenn Friedrich Merz sein politisches Schicksal mit dieser Brandmauer weiterhin verknüpft, wird er auch gemeinsam mit dieser Mauer fallen. Die AfD sollte sich aber von dem bald erwartbaren Entgegenkommen des Mainstreams nicht einlullen lassen. Sie sollte vor allem ihre Einheit wahren, die sie jetzt so stark gemacht hat. Und sie sollte unbedingt weiterhin Wert darauf legen, anders zu sein als die anderen Parteien. Die AfD ist keine Partei wie jede andere und sollte es nicht werden. Denn gerade für ihr elementares Anderssein wird sie gewählt. Sie sollte sich auch die tiefe Analyse der Probleme unseres politischen Systems nicht verbieten lassen oder im Alltagsgeschäft aus den Augen verlieren. Die Verleumdungen durch den demokratisch sehr fragwürdigen Verfassungsschutz kann sie sich getrost als Güte-Siegel für echte Oppositionsarbeit ins Portfolio heften. Nicht mehr die Schläge, sondern die Umarmungen ihrer Feinde muss die AfD fortan fürchten.

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