Gegen das Berufspolitikertum

Es geht um die grundsätzliche Frage, welchen Typus von Politiker wollen wir zukünftig haben? Wie können wir uns vor Berufspolitikern schützen? Wer kann uns schützen?

Der Volksmund weiß: Geld verdirbt den Charakter. / Bild: Pixabay-Inhaltslizenz

Filz und Berufspolitikertum finden einen guten Nährboden im deutschen Parteienstaat. Der wichtigste Schutz vor derartigen Fehlentwicklungen in neuen Parteien ist eine aufgeklärte und kritische Parteibasis, die alle Geldflüsse und jegliche Ämterpatronage immer wieder mit der notwendigen Zähigkeit hinterfragt.

Um das mal an einem konkreten Beispiel festzumachen: Es hat nichts mit einer „Neiddiskussion“ zu tun, wenn man es ablehnt, Bundes- und Landtagsabgeordneten der eigenen Partei die Fahrt- und Spesenkosten zu erstatten, wenn diese zu Parteiveranstaltungen als Redner eingeladen werden. Diese Abgeordneten gehören mit ihrem Einzug in die jeweiligen Parlamente über Nacht zu Besserverdienern, deren Einkommen weit über dem Medianeinkommen der Deutschen liegt, die sie vertreten sollen. In ihrem Parlamentsalltag bewegen sie sich über Jahre und Jahrzehnte nur noch im Kreise von Menschen mit gleichen außergewöhnlichen Einkommensverhältnissen; von den Pensionsansprüchen ganz zu schweigen. Es ist daher kein Zufall, wenn Bundespolitiker nicht mehr wissen, was ein Liter Benzin an der Zapfsäule kostet. Dass Politiker mit solchem Nichtwissen zuweilen sogar noch frech kokettieren, zeigt, welch abgehobenes Milieu sich in unseren Parlamenten heute breit gemacht hat. Wer jungen Oppositionsparteien Gutes wünscht, der muss sie vor einer „Etablierung“ in diesem kranken System dringend warnen!

Wer in seinem Kreisverband aber miterlebt, wie jede Ausgabe von 200 Euro für Plakate oder Flyer stundenlang diskutiert wird, der muss sich doch wundern, wie leichtfertig parteiinternen Rednern ähnlich hohe Summen hinterhergeworfen werden. Zumal diese Redner, direkt oder indirekt, bei solchen Reden um Wähler und Unterstützer für ihre nächste Kandidatur werben.

Wieso kommt es also zu derartigen parteiinternen Zahlungen, die gemessen am verfügbaren Budget doch sehr hoch sind? Die jeweiligen Vorsitzenden sind sicher in der misslichen Situation, geeignete prominente Redner finden und einladen zu müssen. Die Zusage, die Spesen zu übernehmen, machen solche Anfragen sicher einfacher. Doch was sind das für fragwürdige Politiker, die nur noch gegen „Entschädigung“ bereit sind vor ihre potenziellen Wähler zu treten, zumal sie ja in ihren jeweiligen Parlamenten schon mehr als ordentlich „entschädigt“ werden?

Ein weiterer kritischer Aspekt solcher Zahlungen ist, dass der anfragende Vorsitzende sich beim Gastredner, der meist prominenter und einflussreicher ist als er selbst, natürlich beliebt macht und sich bei diesem für eine Unterstützung durch dessen Netzwerke empfiehlt. Er signalisiert, dass er das Spiel von „Geben und Nehmen“ verstanden hat und auch zu spielen bereit ist. Man empfiehlt sich so für höhere Posten.

Was dort aber gegeben und genommen wird, sind Mitgliedsbeiträge und das Geld des Steuerzahlers. Was überdeckt wird und in den Hintergrund tritt, ist die sachliche Auseinandersetzung über politische Inhalte. Ob der Abgeordnete das Geld dann noch „zurück spendet“, ist letztlich unerheblich, auch wenn dies legale Steuervorteile für eine Partei haben kann. Es rundet bloß die Show gegenseitiger Großzügigkeit auf Kosten dritter ab und verleiht dem entstehenden Filz einen noblen Schimmer. Hier wird im Kleinen geübt, was später in der „großen“ Politik beispielsweise mit den berüchtigten Geldkofferreisen als Außenminister endet.

Hier geht es also nicht um Geld oder gar „Neid“, sondern um die grundsätzliche Frage, welchen Typus von Politiker wollen wir zukünftig haben? Soll die jetzige Schmierenkomödie bloß mit anderen Darstellern fortgesetzt werden oder wollen wir einen wirklich tiefgreifenden politischen Wandel? Wir brauchen Politiker mit einer gänzlich anderen Motivation, die nicht mehr bereit sind, solche Spiele mitzuspielen!

Wenn man sich nun fragt, WIE man solche Entwicklungen verhindern kann, muss man sich zunächst fragen, WER sie verhindern kann. Der unzufriedene kritische Bürger auf dem Sofa wird gar nichts verändern. Und weder wählen zu gehen noch nicht wählen zu gehen, wird unter den herrschenden Regeln am Berufspolitikertum etwas ändern, da dieses seine Existenz bereits vor der Wahl absichert. Berufspolitikerkarrieren verhindern kann daher – im derzeitig real existierenden System – am ehesten eine kritische Parteibasis in den jeweiligen Parteien selbst. Aber auch das parteinahe Unterstützerumfeld kann seine Erwartungshaltung in dieser Frage immer wieder klar artikulieren und muss gegebenenfalls, bei allzu negativer Entwicklung, seine Unterstützung den Parteien auch wieder entziehen. Hier wäre auch die Bündelung gleichgesinnter Kräfte, beispielsweise in einem überparteilichen Verein, sehr sinnvoll.

Vielleicht ist auch eine gänzlich neue „Anti-Parteien-Partei“ notwendig, die dem Berufspolitikertum in ihrer Satzung von Anfang effektive Schranken setzt. Eine solche neue Partei, die die Problematik des Parteien- und Pfründestaats zu ihrem zentralen Thema machen würde, könnte schon als Stachel im Fleisch der etablierten Parteien die dringend notwendigen Reformprozesse anstoßen.

Um aber nicht noch mehr Zeit zu verlieren, kann man nur hoffen, dass die AfD – als derzeit aussichtsreichste echte Oppositionskraft – ihren tieferen Auftrag noch erkennt: Sie muss sich selbst an die Kandare nehmen und das aufkeimende Berufspolitikertum in ihren Reihen durch entsprechende Satzungsänderungen und Selbstdisziplin bekämpfen. Es ist gewiss viel verlangt, aber neben all ihren anderen Herkulesaufgaben muss die AfD auch noch bereit sein, diesen zentralen Teil des politischen Augiasstalls ausmisten, den die Altparteien unserem Volk und Land hinterlassen haben. Sonst bleiben alle notwendigen Reformen auf halbem Wege stecken.

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