Demo ohne Bahnsteigkarte

Eine Rückschau auf den historischen Protest vom 1.8.2021 in Berlin.

Freiheitsdemo Berlin 01.08.2021
Freiheitsdemo Berlin 01.08.2021, Foto: Simon Niederleig

Die von Querdenken angemeldete Demonstration am 1. August 2021 in Berlin weist eine historische Besonderheit auf, die sie von allen anderen Demonstrationen in der Bundesrepublik unterscheidet: Sie war mit fadenscheiniger Begründung gerichtlich „verboten“ worden – und fand dennoch statt.

Die Lenin zugeschriebene Äußerung, „wenn Deutsche einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen sie sich vorher eine Bahnsteigkarte“, wurde am 1. August 2021 eindrucksvoll widerlegt. Selbst die Süddeutsche Zeitung kam nicht umhin, die Querdenker als „chronisch unterschätzt“ und die Polizei als „überfordert“ zu bezeichnen. Sie musste einräumen, dass die Polizei „über weite Strecken nur zusehen“ konnte. Das ist nicht schlecht für eine Bewegung über die der selbsternannte „Rechtsextremismusexperte“ Olaf Sundermeyer schrieb: „Die Inzidenzen sinken, die Impfquote steigt, Deutschland plant seinen Sommerurlaub, die ‚Querdenker‘ sind am Ende“.

Das Hygieneregime wollte – im Wahlkampf wohlgemerkt – die Masse der mit der Regierungspolitik Unzufriedenen unsichtbar machen. Das ist vordergründig gelungen. Die kolportierten Teilnehmerzahlen drastisch nach unten zu manipulieren ist ja bereits im Zusammenspiel von Polizeiadministration und Systempresse bestens eingeübt. Der Regierungsklüngel kann sich sicher sein, dass kaum ein deutscher Leser sich die Frage stellen wird, wie 2.250 Polizisten angeblich nur 5.000 Demonstranten (überwiegend mittleren bis hohen Alters) nicht in den Griff gekriegt haben sollen. Auf Bildern und Videos ist ein mittleres Verhältnis Polizei zu Demonstranten von mindestens 1 zu 40 sehen. Daraus errechnet sich eine Teilnehmerzahl von rund 90.000. Diese Zahl ist durchaus realistisch, wenn an bedenkt, dass diese auch in Seitenstraßen vom Olympiastadion bis hin zum Alexanderplatz, also über rund 13 Kilometer, zerstreut wurden. Durch die Blockade der ostwestlichen Hauptachse wurde so die ganze Stadt verkehrstechnisch in Mitleidenschaft gezogen. Das gab der Demonstration vor Ort in in der Hauptstadt einen enormen Resonanzraum. Für die behaupteten 5.000 Demonstranten hingegen wäre ein Hubschrauber, der in großen Schleifen über die genannte Strecke fliegt, wohl kaum nötig gewesen. Dieser könnte 5.000 verstreute Menschen auch kaum von Normalbevölkerung und Touristen unterscheiden.

Um noch bei den Zahlen zu bleiben, so ist doch die Anzahl von 2.250 Polizisten, die zur Durchsetzung des Demonstrationsverbots angesetzt waren, erstaunlich gering. Lag es bloß an einer Unterschätzung des Protestpotentials oder hatte es andere Ursachen? Sinkt die Bereitschaft der Polizisten sich zu derart offensichtlich grundgesetzwidrigen Einsätzen abkommandieren zu lassen? Ist deren Überstundenkonto nach ausgiebigen „Maskenkontrollen“ überfüllt? Wie ist der Krankenstand? Sind andere Bundesländer bereit weiterhin Unterstützung abzukommandieren, um rechtswidrig Demonstrationen niederzuknüppeln oder läßt auch dort die Bereitschaft nach? Es sei hier auch erwähnt, dass es bei der Demonstration nicht nur die exzessive Polizeigewalt gab, sondern auch sehr viele Polizisten, die es bei der Errichtung von Straßensperren erkennbar nicht eilig hatten oder bei deren Durchsetzung fünf gerade sein ließen. Ein Indiz dafür, dass eher Personalmangel als eine Unterschätzung der Querdenker die Ursache für das verhältnismäßig geringe Polizeiaufkommen war, liefert eine Szene, die der Journalist Boris Reitschuster abends am Alexanderplatz gefilmt hat. Dort findet sich neben der regulär uniformierten Polizei eine kleine unbewaffnete Hifstruppe in Warnwesten mit der Aufschrift „Polizei“. Das persönliche Erscheinungsbild dieser „Polizisten“, passte eher ins (Anti-)Fa-Millieu. Diese Hilfskräfte hielten sich auch auffällig zurück, sie schienen nicht gleichberechtigt zum Durchgreifen autorisiert. Wurden hier aus Personalmangel kurzerhand die letzten bereitwilligen Kämpfer aus Merkels Straßenschlägertrupps rekrutiert?

Apropos (Anti-)Fa: Was übrigens wirklich sichtbar am Ende ist, um noch einmal auf Olaf Sundermeyer zurück zu kommen, sind die sogenannten „Gegendemonstrationen“ der vermeintlichen „Zivilgesellschaft“. Obwohl diese Veranstaltungen selbstredend erlaubt waren, ließen sich die Teilnehmer dieser vereinzelten Proteste meist an den Fingern einer Hand abzählen. Umso größer und wütender werden neuerdings die Transparente hinter denen sich die Schoßhündchen des Merkel-Systems theatralisch verschanzen. Bald wird man nicht mehr sagen können, ob hinter diesen Bannern überhaupt noch Menschen sind, oder ob diese automatisiert bewegt werden, während die immer gleichen Sprüche vom Tonband abgespult werden. Was ist bloß aus „Gesicht zeigen gegen rechts“ geworden?


Zwar ist in unserer Gesellschaft die von Merkel initiierte Spaltung und der Hass immer noch spürbar, aber es ist nur noch ein extrinsisch motivierter Fernsehsessel-Hass. Zur Mobilisierung gegen die Querdenker reicht er offensichtlich nicht mehr aus. Auch deshalb muss der Staat jetzt selbst Hand anlegen und zu Verboten und Einschüchterung durch exzessive Polizeigewalt greifen. Sympathien gewinnt er dadurch nur bei Menschen mit ausgeprägtem Hang zum Autoritarismus. Bei Bürgern und Journalisten führt dies hingegen eher zu Solidarisierungseffekten und zur Wiederbelebung des eingeschläferten demokratischen Bewusstseins. So titelte beispielsweise die BILD-Zeitung:

„Das meint BILD zum Demo-Verbot in Berlin: Inakzeptabler Angriff auf eines unserer höchsten Grundrechte“.

Es ist das „Verdienst“ des Berliner Innensenators Geisel (eigentlich SED, aber heute bei der SPD untergeschlüpft) durch Verbot und brutale Repression ein entschlossenes Potential an Demokraten sichtbar gemacht zu haben, das sein grundgesetzliches Versammlungsrecht in Anspruch nimmt; und zwar „ohne Anmeldung“, wie es im Artikel 8 GG explizit heißt! Zudem ermöglichte Geisel es den Querdenkern durch seine ebenso brutale wie unkoordinierte Einsatzstrategie, die Überforderung und Inhumanität des Hygienestaats aller Welt vor Augen zu führen. Sogar der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Nils Melzer, wurde auf das Gebaren der Berliner Polizei und ihrer Hilfstruppen aufmerksam und will Einspruch erheben.

Zudem hat das staatliche Verbot die brave und träge bürgerliche Mitte gezwungen, erste robuste Erfahrungen im zivilen Ungehorsam zu sammeln. Dies wird in Zukunft noch wichtiger werden. So mannigfaltig wie die Herkunft der Teilnehmer, waren die Formen des Protests und die Art der Fortbewegung. Mittels ÖPV, Auto, Fahrrad, Rollerblades und E-Scooter wurden die immer wieder hastig errichteten Polizeisperren umspült. Die trägen Wasserwerfer waren gegen diese flexible Strategie machtlos.

So führten die Demonstranten in Berlin trotz der neo-totalitären Zustände den propagandistisch sedierten Bürgern vor Augen, das Widerstand möglich ist und auch erfolgreich sein kann. Denn nach dem 1.8.2021 kann niemand mehr behaupten, er habe nicht gewusst, in welch verheerende Richtung sich unser Land bewegt.

Im Grunde ist es egal, ob der Erfolg der „Demo ohne Bahnsteigkarte“ bereits am 29. August noch einmal wiederholt werden kann. Immer mehr Menschen haben hierzulande immer weniger zu verlieren. Das Protest-Potential wird langfristig dauerhaft wachsen, wenn die Politik nicht radikal und glaubhaft umsteuert. So viel ist sicher. Immer mehr Bürger werden der Pop-Ikone Nena beipflichten, die kürzlich in treffenden Worten postulierte: „Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen.“

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